Katastrophe in Japan Beschädigtes AKW befeuert deutsche Atomdebatte

Ein Erdbeben in Japan beschädigt ein Atomkraftwerk - und heizt in Deutschland die Debatte über Nuklearenergie neu an: Die Opposition verweist auf ähnliche Risiken bei hiesigen Anlagen, Kernkraftgegner werfen dem Umweltministerium "Desinformationspolitik" vor.
Anti-Atomkraft-Demonstration: Neue Argumente für den Widerstand

Anti-Atomkraft-Demonstration: Neue Argumente für den Widerstand

Foto: Herbert Knosowski/ dpa

Unglück in Japan

Berlin - Die Gefahr einer Reaktorschmelze in Japan nach dem verheerenden Erdbeben hat die Atomdebatte in Deutschland neu entfacht. Vor allem bei Linken, Grünen und Umweltverbänden wurden kritische Stimmen laut. Das kam einen Tag vor der geplanten Großdemonstration gegen Atomkraft in Baden-Württemberg. 40.000 Menschen sollen am Samstag eine Menschenkette vom Atomkraftwerk Neckarwestheim bis ins 45 Kilometer entfernte Stuttgart bilden.

Atomkraftwerke

Die Grünen erhofften sich von der Menschenkette eine Stärkung der Anti-Atomkraft-Bewegung, sagte die Parteivorsitzende Claudia Roth. Linke-Chef Klaus Ernst erklärte die Atomkraft für "einfach nicht beherrschbar". Der "Leipziger Volkszeitung" sagte er: "Vor Umweltkatastrophen und Großunfällen gibt es nirgendwo einen hundertprozentigen Schutz." seien im Katastrophenfall ein Schadensmultiplikator. "Das ist in dichtbesiedelten Gebieten ein permanentes Spiel mit dem Feuer."

Die Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament, Rebecca Harms, schlug den Bogen zur europäischen Atomkraftpolitik. "In einem Land (wie Japan), in dem jedes Gebiet von Erdbeben gefährdet ist, ist auch eine geologische Endlagerung von atomaren Abfall nicht denkbar", sagte sie der hannoverschen "Neuen Presse".

Die Anti-Atomkraft-Organisation "ausgestrahlt" warf dem Bundesumweltministerium "Desinformationspolitik" in der Kernkraftfrage vor. Auch in deutschen Atomkraftwerken sei der Ausfall der Kühlung möglich. Im hessischen Biblis habe am 8. Februar 2004 die Kernschmelze gedroht.

"Was wir in diesen dramatischen Stunden erleben, ist ja gerade, dass selbst eine automatische Abschaltung nicht vor einer Kernschmelze schützt", sagte Sprecher Jochen Stay. "Selbst nach einer Schnellabschaltung produzieren die Brennstäbe so viel Energie, dass sie ohne ständige Kühlung schmelzen."

Henrik Paulitz von der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW erklärte: "Stets wurde uns von der deutschen Atomindustrie Japan als leuchtendes Beispiel für erdbebensichere Atomkraftwerke vor Augen geführt." Jetzt zeige sich, was die Verlautbarungen dieser Branche wert seien.

"Auch in Deutschland gibt es massivste Probleme mit einer unzureichenden Erdbebenauslegung von Atomkraftwerken." Vermutlich seien "alle Atomkraftwerke im Rheingraben und am Neckar durch an diesen Standorten mögliche Erdbeben gefährdet".

ulz/dpa
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