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Streit auf dem Parteitag: Schweres Erbe für die neue Linken-Führung

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Neue Parteichefs Kipping und Riexinger führen tief zerstrittene Linke

Auf einem dramatischen Parteitag hat die Linke ihre neuen Vorsitzenden gewählt: Katja Kipping bekam im ersten Wahlgang gut zwei Drittel der Stimmen. Im zweiten Wahlkang wurde es knapp: Bernd Riexinger, Lafontaine-Freund und Vertreter des linken Flügels, gewann gegen Reformer Dietmar Bartsch.

Göttingen - Katja Kipping ist eine der beiden neuen Vorsitzenden der Linken. Auf dem Parteitag in Göttingen wurde die sächsische Bundestagsabgeordnete mit 67,1 Prozent der Stimmen gewählt. Sie setzte sich gegen die Hamburger Fraktionschefin Dora Heyenn durch, die als einzige Gegenkandidatin 29,3 Prozent erhielt.

Im zweiten Wahlgang gewann der 56-jährige Bernd Riexinger, der Vertreter des linken Gewerkschaftsflügels um Oskar Lafontaine, in einer Kampfabstimmung um den Vorsitz gegen den ostdeutschen Reformer Dietmar Bartsch. Für den bisherigen baden-württembergischen Linke-Chef Riexinger stimmten 297 Delegierte, damit erhielt er 53,5 Prozent der Stimmen. Bartsch kam mit 251 Stimmen auf 45,2 Prozent.

Riexinger wurde von seinen Anhängern mit dem Singen der Internationale gefeiert. "Ich bin überzeugt: Wir werden eine gemeinsame Linke weiterentwickeln, und wir werden wieder auf die Erfolgsspur zurückkommen", sagte er.

Der neuen Bundesvorsitzende rief die Partei zur Versöhnung auf. Er wolle zunächst mit jenen reden, die ihn nicht gewählt hätten. Er wolle, dass die Partei wieder auf die Erfolgsspur kommt.

Riexinger hatte zuvor vor den Delegierten mit den Worten für sich geworben: Die Linke habe nur als gemeinsame Partei eine Zukunft. Bartsch sagte in seiner Bewerbungsrede: "Wir müssen raus aus den strömungspolitischen Gräben."

Am späten Nachmittag hatte die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Katharina Schwabedissen, die gemeinsam mit Kipping für eine Doppelspitze kandidieren wollte, ihre Bewerbung zurückgezogen. Auch die sächsische Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann verzichtete kurzfristig auf ihre Kandidatur.

Die Lebensgefährtin Lafontaines, Sahra Wagenknecht, hatte lange offengehalten, ob sie antritt. Doch nach dem ersten Wahlgang gab die 42-jährige frühere Wortführerin der linksorthodoxen Kommunistischen Plattform bekannt, dass sie sich nicht um den zweiten Chefposten bewirbt. "Ich möchte nicht die Polarisierung auf die Spitze treiben, weil ich glaube, dass das unserer Partei nicht gut tut", sagte sie. Wagenknecht sprach sich dafür aus, eine neue Führung "jenseits der bisherigen Konfliktlinien" zu wählen. Mit Kipping sei eine gute Entscheidung getroffen worden.

Über die beiden Vorstandsposten wird in separaten Wahlgängen abgestimmt, im ersten Wahlgang durften nur Frauen antreten.

"Diese Gesellschaft braucht eine gemeinsam handelnde Linke", sagte die 34-jährige Kipping mit Blick auf den Streit zwischen den Parteiflügeln, der sich vor ihrer Wahl so deutlich gezeigt hatte wie nie zuvor auf einem Parteitag. Zum offenen Streit kam es zwischen Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi und Ex-Parteichef Oskar Lafontaine.

"Bitte lasst uns diese verdammte Ost/West-Verteilung auflösen", sagte Kipping. Die Auseinandersetzung verschiedener Strömungen sei berechtigt - die Unterscheidung spezieller Interessen von Mitgliedern in den neuen und alten Bundesländern schade aber der Partei. "Es gibt auch die eine oder andere menschliche Verwerfung", räumte Kipping mit Blick auf die jüngsten Richtungskämpfe ein. "Es muss doch möglich sein, dass wir menschlich miteinander umgehen bei allem Streit."

Zuvor hatte Fraktionschef Gysi gesagt, falls unter der neuen Spitze keine Einigung gelinge, bleibe der Partei nur die Spaltung übrig. Diese sei dann besser als "mit üblem Nachtreten und Denunziation eine in jeder Hinsicht verkorkste Ehe zu führen". Er sprach zudem von "Hass", der innerhalb der Bundestagsfraktion herrsche. Kritik aus den westdeutschen Landesverbänden erinnere ihn "an die Arroganz der alten Bundesländer bei der Wiedervereinigung", sagte Gysi.

Lafontaine wies die Warnungen zurück. "Es gibt keinen Grund, das Wort Spaltung in den Mund zu nehmen", sagt er. Der frühere Parteichef wehrte sich auch gegen den Vorwurf, die Linke verweigere im Westen jede Regierungsbeteiligung. In Hessen und Nordrhein-Westfalen habe es Angebote zur Zusammenarbeit an die SPD gegeben, welche die Sozialdemokraten abgelehnt hätten. "Warum dieses dumme Gerede von Regierungsunwilligkeit", sagte Lafontaine. "Das ist doch nicht mehr nachzuvollziehen."

dab/dpa/dapd/AFP
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