Kauf der Betrüger-CD Schnell die Steuer, sonst wird's teuer

Finanzamt Wuppertal-Barmen: Nordrhein-Westfalen hat die Fäden in der Hand
Foto: Oliver Berg/ dpaBerlin/Düsseldorf - Jetzt geht es los. Es ist die Regierung Nordrhein-Westfalens, die das letzte Wort hat. Und sie macht die Sache klar. "Das Signal ist heute Mittag an die Steuerverwaltung gegeben worden", verkündet CDU-Finanzminister Helmut Linssen am Donnerstagnachmittag vor den Landtagsabgeordneten in Düsseldorf. Das heißt: Die Steuersünder-CD wird gekauft. Für mutmaßliche 2,5 Millionen Euro. Mit Informationen über rund 1500 Steuerflucht-verdächtige Deutsche - und vielleicht mehr als 200 Millionen Euro möglichen Nachzahlungen.
Das bevölkerungsreichste Bundesland ist am Zug, weil sich der Informant zuerst an die Steuerfahndung in Wuppertal wandte. Die informierte Linssen. Der gab Bundesfinanzminister (CDU) Bescheid.
Schäuble ließ die Rechtsexperten im eigenen Haus in den vergangenen Tagen ausführlich prüfen: Ist ein Ankauf des Sünder-Silberlings rechtlich zulässig? Und sind die auf diese Weise erlangten Daten danach überhaupt gerichtlich verwertbar? Am Ende standen die Signale in Berlin auf Grün. Sowohl Schäuble als auch Kanzlerin Angela Merkel sprachen sich für den Kauf aus. Der Bund will sich an der Hälfte der Kosten beteiligen.
Minister Linssen versichert, man habe den Kauf rechtlich geprüft: "Wir werden uns nicht strafbar machen." Die durch den möglichen Kauf erlangten Beweismittel gälten im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren als verwertbar: "Damit liegen die Voraussetzungen vor, um in den Besitz der Daten zu kommen."
Der CDU-Politiker klingt beinahe feierlich, als er sagt: "Der Staat ist grundsätzlich verpflichtet, jedem Verdacht der Steuerhinterziehung nachzugehen."
Nun wird es richtig spannend.
Es droht eine Welle neuer Schwarzgeld-Enthüllungen
Schon bald könnten überall in Deutschland Steuerfahnder und Staatsanwälte vorfahren, um die Villen von Reichen und Superreichen nach belastenden Unterlagen zu durchsuchen. Die Daten auf der CD liefern für die Fahnder erste Hinweise, doch für ein richtiges Steuerstrafverfahren werden sie weiteres Material benötigen - oder auch Geständnisse der Betroffenen. Sicher ist: Deutschland steht vor einer Welle neuer, peinlicher Schwarzgeld-Enthüllungen - so wie dereinst beim früheren Post-Chef Klaus Zumwinkel.
Noch ist allerdings völlig unklar, wie brisant das Material auf der ominösen CD wirklich ist. Möglicherweise stammen die Daten von der schweizerischen Großbank Credit Suisse. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür bislang allerdings nicht.
Fest steht: Die CD wird gekauft. Aber wie? Und wann?
Dazu schweigen die Beteiligten bisher. Der Zeitpunkt der Übergabe bleibt vage. "Ein Datum kann ich nicht nennen", sagte Wolfgang Schäuble der "Bild"-Zeitung - und setzte hinzu: "Aber lange wird es nicht mehr dauern."
Aufteilung der Kosten nach dem "Königsteiner Schlüssel"
Bereits am Freitag will sich Schäuble mit den Finanzministern der Unions-geführten Länder treffen, um das weitere Vorgehen zu koordinieren. Bleibt es beim mutmaßlichen Kaufpreis von 2,5 Millionen Euro und übernimmt der Bund die Hälfte, müssten die 16 deutschen Länder die verbleibenden 1,25 Millionen Euro unter sich aufteilen. "An der Aufteilung der Kosten scheitert das nicht", versichert Linssen. Absehbar ist, dass der "Königsteiner Schlüssel" zum Einsatz kommt, der eine Gewichtung der Länder vornimmt: Zu einem Drittel fließt die Bevölkerungszahl, zu zwei Dritteln das jeweilige Steueraufkommen in die Bewertung ein.
Abschließende Gespräche haben in dieser Sache allerdings noch nicht stattgefunden. Der Bund hat der NRW-Regierung signalisiert, dass man ebenfalls die Anwendung des "Königsteiner Schlüssel" befürworte.
Die Lage in den anderen Ländern ist noch unübersichtlich.
Die Bayern etwa machten bereits kurz nach der Entscheidung in Düsseldorf klar, dass sie ihren Anteil tragen werden: "Es steht für Bayern außer Frage, dass wir uns beteiligen werden", sagte Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU). Ähnlich äußerte sich Niedersachsens Ressortchef Hartmut Möllring (CDU). Zurückhaltung dagegen in Hessen. Dort geht man davon aus, dass in Sachen Steuersünder-CD "noch gar nichts geklärt ist", wie es aus dem Wiesbadener Finanzministerium heißt. Deshalb wolle man sich auch nicht zu einem wie auch immer möglichen Prozedere äußern.
In Sachsen-Anhalt klingt das anders. Für den dortigen Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) ist klar: Solle Nordrhein-Westfalen die CD erwerben, "werden wir uns natürlich entsprechend dem Königsteiner Schlüssel beteiligen", sagte sein Sprecher. Aus dem baden-württembergischen Finanzministerium wiederum ist zu hören, "man habe sich mit diesem Thema noch gar nicht befasst".
Der 2,5-Millionen-Silberling könnte nicht nur für die deutschen Länder einen Schatz bergen. Österreicher, Belgier und Niederländer haben bereits ihr Interesse an den Daten angemeldet, falls auch Steuerbetrüger aus ihren Ländern verzeichnet sind. Am Kauf der CD werden sich diese Länder aber aller Voraussicht nach nicht beteiligen: es sind europäische Partner, es gilt die EU-Amtshilferichtlinie, die Verpflichtung zum Informationsaustausch über Steuerflüchtige.
Österreich profitierte bereits in der Vergangenheit von jener DVD, die der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) vor zwei Jahren aus Liechtenstein erwarb. Unter den Steuerbetrügern fanden sich auch rund 150 Staatsbürger der Alpenrepublik. Dass es im aktuellen Fall wieder so kommt, darauf hat man in Berlin noch keine Hinweise. In den vom Informanten bisher übermittelten "Probefällen" hat es sich allein um deutsche Betrüger gehandelt, wie SPIEGEL ONLINE aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums erfuhr.
(FDP), der Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag, erwartet in Kürze weitere Informationen über die Steuersünder-CD: "Der Finanzausschuss ist nicht informiert worden - ich gehe aber davon aus, dass das nächste Woche passiert." Ihn wundere allerdings die öffentliche Aufregung: "Es handelt sich hier um eine rechtliche Frage, die der Finanzminister zu klären hat."
Damit ist der Liberale klar bei den CDU-Politikern Schäuble und Linssen. Der Staat sei verpflichtet, "alles zu unternehmen, was dazu dient, die Steuerhinterziehung zu bekämpfen", fordert Wissing.