SPIEGEL-Spitzengespräch mit Kevin Kühnert
"Jetzt geht es ums Kanzleramt"
Der Finanzminister zeige jetzt einen "empathischeren Zugang zur Politik": Juso-Chef Kevin Kühnert erklärte im neuen SPIEGEL-Spitzengespräch, warum er nun die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz unterstützt.
Noch-Juso-Chef Kevin Kühnert hat seine Unterstützung für die SPD-Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz verteidigt. Anders als bei der Wahl des Parteivorsitzenden im vergangenen Jahr - bei der Scholz unterlag und bei der Kühnert das siegreiche Duo Esken/Walter-Borjans unterstützte - "geht es jetzt ums Kanzleramt", sagte Kühnert im neuen SPIEGEL-Spitzengespräch mit Markus Feldenkirchen. "Jetzt geht es darum, eine Regierung anzuführen. Und damit auch um andere Qualitäten", sagte Kühnert.
Scholz habe sich in der Außendarstellung verbessert, lobte der Juso-Chef. Der Finanzminister zeige jetzt einen "viel empathischeren Zugang zur Politik", was zum Beispiel bei den jüngsten Pressekonferenzen erkennbar sei.
Kühnert äußerte sich auch grundsätzlich zur Zukunft der Sozialdemokraten. Die Voraussetzungen für Politik in Deutschland und insbesondere in der SPD hätten sich "in den letzten 15 Jahren gewaltig geändert", sagte Kühnert. "Heute senken wir die Mehrwertsteuer. 2005 wurden wir zu Recht dafür verprügelt, weil wir sie entgegen der vorherigen Versprechungen erhöht haben." Bis vor einem Jahr sei noch über eine schwarze Null gesprochen worden, so Kühnert. "Das sollte ein Wert an sich in der Politik sein. Jetzt ist es Olaf Scholz, der die Schuldenbremse aussetzt."
Kühnert im Gespräch mit Markus Feldenkirchen
Foto: DER SPIEGEL
Kein Mitleid mit Michael Müller
Kühnert, der sich jetzt um ein Bundestagsmandat bewirbt, äußerte sich in dem Gespräch zu den Vorwürfen, kein Studium abgeschlossen zu haben. Ex-Parteichef Sigmar Gabriel hatte ihm kürzlich empfohlen, erst einmal ein paar Jahre arbeiten zu gehen. "Was ich aber eben vorweisen kann, ist, dass ich in der Lage bin, für mich selber zu sorgen, ein denkender Mensch zu sein", sagte Kühnert. "Ich arbeite sieben Tage die Woche, einen Jugendverband mit 80.000 Menschen zu führen, ist keine Freizeitbeschäftigung." Und Gabriel müsse sich fragen, "ob er wirklich mit meinen Ideen mehr einverstanden wäre, wenn ich jetzt noch fünf Jahre beim Daimler am Band gearbeitet hätte? Ich habe meine Zweifel."
Kühnert kandidiert im Berliner Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg für den Bundestag, im Heimatbezirk des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, der ebenfalls in den Bundestag möchte. "Niemand hat einen Anspruch auf irgendeinen Wahlkreis, weder er noch ich, noch sonst irgendjemand anders", sagte Kühnert. "Wir sind nämlich nicht mehr in der Gutsherrnzeit, wo uns Ländereien gehören und wir die Knechte zum Wählen zusammenrufen, sondern wir sind Bürgerinnen und Bürger unter Gleichen - 350.000 an der Zahl in Tempelhof-Schöneberg, die dort leben."