Traditionsklausur in Wildbad Kreuth CSU in der Pegida-Falle

Tagungsstätte in Wildbad Kreuth: Wie hält es die CSU mit Pegida?
Foto: MICHAELA REHLE/ REUTERSDie Tagesordnung ist mit prominenten Namen geschmückt, der neue Nato-Generalsekretär macht der CSU die Aufwartung, wenn sie sich ab dem Mittag zu ihrer Traditionsklausur in Wildbad Kreuth trifft. Auch der Außenminister der Ukraine schaut bei den christsozialen Bundestagsabgeordneten vorbei, um für die Sichtweise seines Landes im Konflikt mit Russland zu werben. Und natürlich wird Parteichef Horst Seehofer erwartet, um seinen gewöhnlich ausufernden Bericht zur politischen Lage vorzutragen.
Doch das spannendste Thema findet sich beim Parteitreff im malerischen Tegernseer Hochtal nicht auf der Agenda: Wie hält es die CSU mit der Pegida-Bewegung, die in Dresden und anderen Städten Zehntausende auf die Straße bringt?
Die Antwort auf die Frage hat für die Christsozialen Sprengkraft, spätestens seit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Neujahrsansprache die Pegida-Demonstranten ungewöhnlich deutlich kritisiert hatte. "Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen", sagte Merkel. "Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen!" Die Demonstranten riefen zwar "Wir sind das Volk", so Merkel. "Aber tatsächlich meinen sie: Ihr gehört nicht dazu - wegen eurer Hautfarbe oder eurer Religion."
Die Haltung der CSU ist eine andere. Für die Christsozialen sind die Pegida-Anführer rechte Dumpfbacken, aber die Menschen, die ihnen folgen, will die Partei nicht verurteilen. Zu groß ist die Angst, die Union könnte sie an die rechtspopulistische AfD verlieren. Manche, wie der ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich, machen die Kanzlerin sogar für den Aufstieg von Pegida und AfD mit verantwortlich. "Wenn Sie mich vor ein paar Jahren gefragt hätten, hätte ich gesagt: Wir putzen die weg, indem wir ihnen die Themen wegnehmen. Frau Merkel hat sich aber entschieden, der SPD und den Grünen die Themen wegzunehmen, denken Sie nur an den planlosen Ausstieg aus der Kernenergie oder die Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit", hatte Friedrich dem SPIEGEL gesagt.
Beim Dreikönigstreffen der Münchner CSU am Dienstagmittag im Augustiner, einer Traditionsgaststätte in der Innenstadt, wurde die Stimmung bei den Christsozialen mehr als deutlich: Ohne Merkel beim Namen zu nennen, widersprechen alle Redner der Kanzlerin - von Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle bis zu Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller.
"Wir müssen die Ängste der Menschen aufnehmen, um denen die Stirn zu bieten, die als braune Rattenfänger die Leute mit dem Spruch der Freiheitsbewegung - wir sind das Volk - auf ihre Seite ziehen wollen", sagt CSU-Mann Spaenle, der auch Bezirkschef in München ist. Der Saal im Augustiner ist mit rund dreihundert Leuten gut gefüllt, Weißbier und Weißwürste stehen auf den Tischen, historische Oktoberfestreklame hängt an den Wänden.
Ähnlich wie Spaenle äußert sich Minister Müller, der schon kurz nach Merkels Ansprache eine andere Tonlage als die Kanzlerin gewählt hatte. "Ich sage Nein zu Pegida. Aber die Ängste müssen wir ernst nehmen. Wir müssen die Nöte der Menschen im realen Leben schon zum Mittelpunkt unserer Politik machen", so der Mann, der in Berlin an Merkels Kabinettstisch sitzt.
"Wenn in Dresden 19.000 Menschen auf die Straße gehen, dann kommen wir mit pauschalen Diffamierungen nicht weiter", sagt der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl an die Adresse der Kanzlerin. "Ich bin da für eine differenzierte Ansprache", so Uhl zu SPIEGEL ONLINE.
Typisch christsoziale Dialektik also, die sich auch in Kreuth widerspiegeln dürfte. Das zeigt sich vor allem in der Haltung der Partei zur Flüchtlings- und Asylpolitik. So will die CSU die Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme von jugendlichen Flüchtlingen erleichtern. Gleichzeitig findet Bayerns Innenminister Joachim Herrmann harte Worte gegen den Abschiebestopp in einigen Bundesländern.
"Wenn Schleswig-Holstein und Thüringen nun wieder Winterabschiebestopps verhängen und Rheinland-Pfalz Beschränkungen für Abschiebungen vorsieht, die einem Abschiebungsstopp faktisch gleichkommen, konterkarieren sie unsere Bemühungen, die Situation in den Griff zu bekommen", sagt Herrmann SPIEGEL ONLINE.
Als Beispiel nennt der Innenminister die Situation im Kosovo. "Im Kosovo geht das Gerücht um, dass man in Deutschland bleiben könne und hier Arbeit finden werde. Im Kosovo-Fernsehen wird derzeit geradezu aufgerufen, zur Überwinterung nach Deutschland zu gehen", so Herrmann. Dabei, so der CSU-Mann, werde gezielt mit dem Taschengeld geworben, das Asylbewerber in Deutschland erhalten.
"Bei Befragungen geben viele Menschen offen an, aus wirtschaftlichen Motiven nach Deutschland zu kommen, da es in Ungarn und Österreich kein Geld gebe." Die Folge, so Herrmann: "Bundesweit sind die Asylbewerberzahlen aus dem Kosovo von November 2013 bis November 2014 um sage und schreibe 363 Prozent gestiegen. Da wirken Winterabschiebestopps wie weitere Lockmittel."