Pläne der GroKo Was hinter dem neuen Ärger ums Klima steckt

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Kanzlerin Angela Merkel: Überwachung der Klimaziele "glasklar im Gesetz verankern"
Foto: Kay Nietfeld/ DPADie Kanzlerin ist in Sachen Klima unterwegs: Im nordbadischen Sinsheim nahm Angela Merkel am Montag an der Eröffnungsfeier einer "Klima Arena" teil, gemeinsam mit Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
In Berlin regte sich derweil heftige Kritik an der Klimapolitik der Kanzlerin. Denn das geplante Klimaschutzgesetz von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) soll abgeschwächt werden. Umweltverbände, Grüne und Linke warfen Merkels Regierung deshalb Versagen in der Klimapolitik vor.
Merkel und Schulze wiesen die Kritik zurück. Schulzes Staatssekretär Jochen Flasbarth sagte, er könne die Aufregung nicht verstehen. Das Gesetz werde die Klimapolitik in Deutschland "fundamental verbessern".
Woher kommt die Aufregung? Und wie geht die Koalition mit dem Thema um? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Worum geht es?
Am 20. September hatte sich die Große Koalition auf Eckpunkte zum Klimaschutzprogramm 2030 geeinigt. Dieses Programm, salopp auch Klimapaket genannt, umfasst unter anderem die Einführung eines Festpreises für CO2. Es wird aktuell auf 180 bis 200 Seiten ausgearbeitet und soll am Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden.
Bei dem Papier, das an diesem Montag im Fokus der Aufmerksamkeit steht, handelt es sich um einen mit diesem Paket verbundenen Gesetzentwurf, der die deutsche Klimabilanz ebenfalls verbessern soll. Es stammt aus der Feder von Schulzes Ministerium und nennt sich Klimaschutzgesetz.
Schulzes Gesetz unterteilt die deutsche Wirtschaft in sechs Sektoren - Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges - und legt für den Zeitraum von 2021 bis 2030 genau fest, welcher Sektor in welchem Jahr noch wie viele Tonnen CO2 ausstoßen darf. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Ziele sind die jeweiligen Fachministerien, also zum Beispiel das Verkehrsministerium für den Sektor Verkehr.
Was ist das Problem?
Schulze hatte bereits Ende Februar den ersten Entwurf (PDF) ihres Klimaschutzgesetzes vorgestellt. Das Papier wurde seitdem nicht mehr geändert. Die erste Fassung war, wie der SPIEGEL am Sonntagabend berichtete, in einigen Punkten noch strenger formuliert als der nun vorliegende Entwurf (PDF).
In der Februar-Fassung hieß es, jedes Ministerium sei für die Emissionsminderungen in seinem Sektor verantwortlich. Sollte die zugelassene Emissionsmenge überschritten werden, müsse das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm für den jeweiligen Sektor vorlegen. Notfalls könne die Bundesregierung CO2-Mengen zwischen Ressorts verschieben - aber nur mit Zustimmung des Parlaments.
Am 20. September, nach einer langen Verhandlungsnacht zum Eckpunktepapier für das Klimapaket, nannten sowohl Merkel als auch Schulze es noch einen großen Erfolg, dass die Einhaltung der Klimaziele nun streng kontrolliert werde. So werde sichergestellt, dass Deutschland seine Klimaschutzziele für das Jahr 2030 nicht ebenso verpasse, wie es 2020 der Fall sein wird.
Im aktuellen Entwurf von Schulzes Klimaschutzgesetz sind die Kontrollmechanismen nun weniger streng.
"Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Jahresemissionsmengen der Sektoren zum Beginn des jeweils nächsten Kalenderjahres zu ändern", heißt es in dem neuen Entwurf. Von einer Kontrolle durch den Bundestag ist nun nicht mehr die Rede.
Staatssekretär Flasbarth bestätigte am Montag, dass CO2-Mengen zwischen einzelnen Sektoren verschoben werden können - stellte aber auch klar, solche Verschiebungen seien nur zwischen Sektoren möglich, die nicht dem Europäischen Emissionshandel unterlägen. Also in den Sektoren Abfall, Gebäude und Landwirtschaft - sowie im wohl größten CO2-Problemsektor, dem Verkehr. Die Vorgaben für die CO2-Einsparungen insgesamt blieben zudem erhalten.
Umweltschützer halten die möglichen Verschiebungen dennoch für problematisch. Die einzelnen Ministerien seien nun weniger unter Druck, ihre CO2-Ziele zu erfüllen, monieren sie.
Im aktuellen Entwurf von Schulzes Klimaschutzgesetz finden sich zudem noch weitere Aufweichungen von Kontrollmechanismen. Der sogenannte Klimarat - ein von der Regierung eingesetztes Expertengremium, das die Fortschritte bei der CO2-Minderung in den einzelnen Sektoren überwachen soll - hat nun deutlich weniger Macht.
- Er soll, anders als zuvor geplant, kein jährliches Hauptgutachten mehr erstellen, das die Wirksamkeit der geplanten Maßnahmen zum Klimaschutz überprüft.
- Er soll zudem keine Vorschläge mehr machen dürfen, wie die zuständigen Ministerien nachjustieren können, wenn CO2-Einsparungsziele in einzelnen Wirtschaftssektoren verfehlt zu werden drohen. Das kann nun nur noch die Regierung selbst.
In Schulzes neuem Entwurf wurden zudem Formulierungen für die langfristige Klimapolitik geändert.
- Als Zweck des Gesetzes war ursprünglich die "Vermeidung einer anthropogenen Störung des Klimasystems" genannt worden - verbunden mit dem Ziel, bis zur Mitte des Jahrhunderts "Netto-Treibhausgasneutralität" zu erreichen. Im aktuellen Entwurf heißt es nun, deutlich milder formuliert, man wolle "Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel verfolgen."
- Das Zwischenziel, Deutschlands Treibhausemissionen bis 2040 um mindestens 70 Prozent zu streichen, ist zudem ersatzlos gestrichen worden.
Kanzlerin Merkel beteuerte am Montag, die Überwachung der Klimaziele werde "glasklar im Gesetz verankert sein".
Wie gehen die GroKo-Parteien mit dem Thema um?
Alle drei Koalitionspartner haben ein Interesse, sich beim Klima zu einigen. Und so loben CDU, CSU und SPD die Beschlüsse vom 20. September auch unisono als großen Wurf und wichtiges Signal für die Fähigkeit der Koalition, Kompromisse zu finden.
Besonders groß ist der Druck in der SPD. Die Sozialdemokraten stimmen Anfang Dezember bei ihrem Parteitag über die Halbzeitbilanz der GroKo ab. Dabei spielt die Klimapolitik zusammen mit den Grundrentenplänen von Arbeitsminister Hubertus Heil eine entscheidende Rolle.
Umweltexperte Matthias Miersch machte am Montag deutlich, die SPD-Fraktion werde "genau darauf achten, dass das Ziel der Treibhausgasneutralität 2050 einschließlich der notwendigen Zwischenschritte gesetzlich fixiert werden". Herzstück des Gesetzes sei ein wirkungsvoller Kontrollmechanismus. Gegebenenfalls müsse das Parlament hier "nachschärfen".
Dazu kommt: Die SPD sucht derzeit eine neue Parteispitze. Zwei Kandidatenteams erneuern ihre Kritik an den Plänen der GroKo. Der Entwurf für das Klimaschutzgesetz sei "vollkommen verfehlt", sagt Karl Lauterbach, der sich mit Nina Scheer für den Parteivorsitz bewirbt. Ohne eine glasklare Verpflichtung auf die Ziele und eine verbindliche Überprüfung und Nachsteuerung sei das Gesetz wirkungslos. "Wir müssen den Klimaschutz als Staatsziel ins Grundgesetz aufnehmen", fordert Lauterbach.
Das Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans kritisiert, die Union bremse, mit CDU und CSU sei "ganz offenbar kein sozial gerechter und wirksamer Klimaschutz zu machen". Sie fordern, die SPD müsse sich für eine Pro-Kopf-Klimaprämie als zwingende Voraussetzung für einen angemessenen CO2-Preis sowie einen Energiewendefonds einsetzen. "Damit würden wir wirksamen Klimaschutz mit einer gerechteren Lastenverteilung verbinden, kleine und mittlere Einkommen sogar entlasten, ohne die Wirkung zu untergraben."
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es, die Verschiebung von CO2-Mengen zwischen Wirtschaftssektoren sei erst im Entwurf des Klimaschutzgesetzes vom Oktober erwähnt worden. Tatsächlich war sie auch schon im ersten Entwurf erwähnt, dort aber noch mit Kontrolle des Bundestags. Wir haben die Passage korrigiert.