Videoüberwachung am Arbeitsplatz Koalition vertagt Datenschutz-Gesetz

Überraschend war das Thema auf der Tagesordnung des Innenausschusses aufgetaucht - genauso rasch ist es wieder verschwunden: Das umstrittene Arbeitnehmerdatenschutz-Gesetz wird verschoben. Offenbar fürchtet die Koalition vor der Niedersachsen-Wahl negative Schlagzeilen.
Warnschild zur Videoüberwachung: Die Koalition zieht ihr umstrittenes Gesetz vorerst zurück

Warnschild zur Videoüberwachung: Die Koalition zieht ihr umstrittenes Gesetz vorerst zurück

Foto: Jens Büttner/ picture alliance / dpa

Berlin - Gewerkschaften, Datenschützer, Opposition - seit Wochenbeginn gibt es heftige Kritik an dem Entwurf für ein Arbeitnehmerdatenschutz-Gesetz, auf den sich die Koalitionsfraktionen vergangene Woche überraschend geeinigt hatten. Schon am Mittwoch sollte sich der Innenausschuss des Bundestags mit der Gesetzesvorlage beschäftigen, doch daraus wird nun nichts: Die Fraktionen von Union und FDP haben das Thema vertagt.

Dies wurde SPIEGEL ONLINE sowohl vom Sekretariat des Ausschusses als auch vom Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Bosbach (CDU) bestätigt. Einen neuen Termin für die Befassung des Gremiums mit der Gesetzesvorlage gibt es offenbar noch nicht. Ob das Gesetz wie geplant schon Ende des Monats vom Bundestag verabschiedet werden kann, ist damit unwahrscheinlich.

Die Pläne sehen unter anderem ein Verbot der heimlichen Videoüberwachung am Arbeitsplatz vor - die offene Überwachung soll aber erleichtert werden. Unzulässig ist laut Entwurf, ohne konkreten Anlass Mitarbeiterdaten zur Korruptionsbekämpfung zu durchleuchten. Erlaubt sind dagegen Nachfragen nach Vorstrafen oder laufenden Ermittlungsverfahren bei einem Job-Bewerber, sofern dies für die offene Stelle bedeutsam ist. Das Mithören von Telefonaten, etwa bei Callcenter-Mitarbeitern, ist dem Vorhaben nach möglich.

Der Grund der Vertagung: Die Koalition fürchtete offenbar eine Schlappe wie bei der Behandlung des umstrittenen Meldegesetzes im Bundestag - und das ein paar Tage vor der so wichtigen Landtagswahl in Niedersachsen. "Bevor wir uns wieder Vorwürfen wie beim Meldegesetz aussetzen müssen, sollten wir das nicht durchpeitschen", sagte Innenausschuss-Chef Bosbach. Ausnahmsweise hätte der Ausschuss am Mittwoch nur 45 Minuten zur Beratung, das reiche nicht aus.

Verheerende Reaktionen beim Meldegesetz

Der Bundestag hatte die "Fortentwicklung des Meldewesens" am 28. Juni mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition verabschiedet - fünf Minuten zuvor war das EM-Halbfinalspiel Deutschland gegen Italien angepfiffen worden: Nur wenige Abgeordnete saßen im Plenum, die Reden wurden zu Protokoll gegeben. Die ursprünglich vorgesehene Regelung, wonach die Datenweitergaben nur nach expliziter Einwilligung der Bürger möglich sein sollte, hatten die zuständigen Bundestagsausschüsse geändert. Die öffentlichen Reaktionen waren verheerend gewesen.

Das umstrittene Arbeitnehmerdatenschutz-Gesetz war offenbar auch zentrales Thema beim Gespräch von DGB-Chef Michael Sommer mit Kanzlerin Angela Merkel am Dienstagmorgen gewesen. Sommer soll der Kanzlerin nochmals eindringlich seine und die Bedenken der Gewerkschaften vorgetragen haben.

Die Opposition begrüßte die Entscheidung, den Entwurf zu vertagen. "Der Protest zeigt Wirkung", sagte Christine Lambrecht, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. "Der Gegenwind war offenbar so stark, dass selbst die Koalition begriffen hat: Diese Vorlage zur Arbeitnehmerbespitzelung ist ein Skandal." Das reiche aber nicht aus, so Lambrecht. "Diese Vorschläge müssen in die Tonne." SPD-Obmann Michael Hartmann sprach von einem "völlig verunglückten Manöver."

Ähnlich die Reaktion der Grünen: "Der schwarzgelbe Gesetzentwurf ist eine krasse Verschlimmbesserung der bestehenden Rechtslage", sagte das Ausschuss-Mitglied Konstantin von Notz. "Heimliche Videoüberwachung durch totale Überwachung zu ersetzen, wie Schwarzgelb es will, geht gar nicht". Der Grünen-Politiker fordert: "Lieber kein Gesetz als dieses."

flo
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