Regierungsstreit Koalition will Ende Januar über Vorratsdatenspeicherung entscheiden

Bundesregierung prüft Umgang mit Vorratsdaten
Foto: Jens Büttner/ dpaBerlin - Die Große Koalition will den Streit über die Vorratsdatenspeicherung auf ihrer Kabinettsklausur Ende Januar beraten. Dabei könnten Union und SPD "zu einer gemeinsamen Beurteilung kommen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.
Die Kabinettsklausur am 22. und 23. Januar sei der "ideale Zeitpunkt" für die Behandlung des strittigen Themas, sagte Seibert. Für die Bundesregierung als Ganzes bleibe klar, dass die Vorratsdatenspeicherung gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden solle. Strafzahlungen an die EU wegen fehlender Umsetzung einer entsprechenden Vorgabe sollten vermieden werden.
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und sein Justizkollege Heiko Maas (SPD) wollen nach Angaben ihrer Sprecher noch Ende dieser Woche bei einem Arbeitsessen über die Vorratsdatenspeicherung beraten. In der Koalition finde jetzt eine genaue Prüfung der veränderten Sachlage statt, sagte ein Sprecher des Justizressorts. Eine neue Situation sei entstanden, weil Generalanwalt Pedro Cruz Mitte Dezember Bedenken gegen die Richtlinie geäußert und sie als nicht vereinbar mit der Grundrechte-Charta der EU bezeichnet hatte.
"PR-Coup des Neu-Ministers"
Maas hatte im SPIEGEL angekündigt, er werde keinen Entwurf vorlegen, bevor der Europäische Gerichtshof endgültig geurteilt habe, ob die umzusetzende Richtlinie die Rechte der EU-Bürger verletze oder nicht. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Richter die Richtlinie vollständig kassieren.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière drängte dagegen auf eine rasche Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie. Er verwies darauf, dass der Generalanwalt eine kürzere Speicherfrist und einen Datenzugriff nur bei schwersten Straftaten zulassen wolle. Das entspreche "ziemlich genau dem, was die Koalitionsvereinbarung vorsieht", sagte de Maizière.
De Maizière will nach Informationen von SPIEGEL ONLINE bei dem Treffen mit Maas vorschlagen, dass die Experten aus beiden Häusern bereits in den kommenden Wochen intensiv an den technischen Details eines Gesetzes arbeiten. Wenn letztlich ein Richterspruch aus Luxemburg vorliegt, so die Linie seines Hauses, könne man den Gesetzestext immer noch daran anpassen. Die Entscheidung wird allgemein für die Zeit vor Ostern erwartet.
De Maizières Forderung passt zur Zeitlinie der Kanzlerin: Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags kündigte Angela Merkel an, das Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung werde das erste der großen zu realisierenden Gesetzesvorhaben sein. Würde man jedoch die technische Arbeit bis zum Richterspruch auf Eis legen, wie es der Justizminister vorschlug, wäre dieser Plan unhaltbar.
Opposition fordert generellen Verzicht
Von einem echten Krach will man im Innenressort trotzdem nicht sprechen, vielmehr wird der Vorstoß als "PR-Coup des Neu-Ministers" gewertet. Zudem erwartet man im Ministerium, dass die EU-Richter ähnliche Einschränkungen für die Art und Länge der Speicherung von Daten verlangen wie die Richter beim Karlsruher Verfassungsgericht. Die Regeln aus Karlsruhe, so ein Beamter, würden ja so oder so in ein deutsches Gesetz aufgenommen.
Die Opposition fordert hingegen einen generellen Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung. Diese setze jeden einem "Pauschalverdacht" aus, sagte Parteichef Cem Özdemir zum Auftakt der Grünen-Vorstandsklausur. Der Linken-Innenexperte Jan Korte hielt Maas in einer Erklärung vor, er lehne es ab, "die politisch richtigen Schlüsse zu ziehen und sich komplett vom Überwachungsinstrument Vorratsdatenspeicherung zu verabschieden".
Die Vorratsdatenspeicherung sorgt seit Jahren für erbitterten Streit in Deutschland und der EU. Seit 2006 müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass Telekommunikationsfirmen ohne Anfangsverdacht oder konkrete Gefahr Verbindungsdaten zu Telefonaten und E-Mails von Privatleuten bis zu zwei Jahre aufbewahren.
In Deutschland gibt es derzeit keine gesetzliche Regelung dazu. Das Bundesverfassungsgericht hatte das deutsche Gesetz 2010 gekippt. Die schwarz-gelbe Regierung konnte sich danach jedoch nicht auf eine Neufassung einigen.