Koalitionen Schwarze Nudeln mit grüner Soße

Seit dem Ende der rot-grünen Regierung wird wieder verstärkt über die Möglichkeit von Schwarz-Grün diskutiert. Doch trotz aller Beschwörungen ist man sich in den vergangenen Jahren nicht wirklich näher gekommen, wie ein Gespräch zwischen Christian Wulff und Krista Sager beweist.

Hannover - "Ich hoffe, Sie erwecken hier nicht den Eindruck einer Comedy-Show", sagt Krista Sager zum ZDF-Moderator Cherno Jobatey. Der hat sich soeben dem Publikum vorgestellt ("Hallo, mein Name ist Ulrich Wickert") und steht nun breit grinsend neben der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen. Die beiden warten auf den Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Christian Wulff, der sich verspätet hat.

Es ist die Wiederauflage eines historischen Duells, das an diesem Dienstagabend in der Aula der Goetheschule in Hannover stattfindet. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung und die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung haben gemeinsam zu einer Podiumsdiskussion zum Thema "Schwarz-Grün" eingeladen. Vor fast genau zehn Jahren, im November 1995, haben die Grüne Sager und der Schwarze Wulff schon einmal über das Thema diskutiert. "Schwarz-Grün - Provokation oder realistische Alternative?", hieß die Veranstaltung damals.

In den letzten Monaten, als die deutsche Politik durcheinander gewirbelt wurde wie lange nicht mehr, hat sich die alte Frage mit neuer Vehemenz aufgedrängt. Das Ende der rot-grünen Regierung in Berlin weckte neue Bündnis-Phantasien, das Wort "Jamaika-Koalition" (CDU/FDP/Grüne) erlebte sein Debüt. Plötzlich kann sich sogar CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, der Schwarz-Grün noch 2003 als "schädlichen Irrweg" bezeichnet hatte, ein solches Bündnis vorstellen. Die beiden parteinahen Stiftungen loten bereits seit längerem ihre Gemeinsamkeiten aus: Seit 2003 läuft eine Workshop-Reihe zum Thema "Schwarz-grüne Bündnisse auf lokaler Ebene".

"Sie wollen ja gar nicht heiraten"

Doch so sehr die Vordenker und Strategen davon träumen: In den vergangenen zehn Jahren hat man sich herzlich wenig angenähert, wie sich in den zwei Stunden in Hannover herausstellt. Zwar bemüht sich Moderator Jobatey redlich als "Kuppler", wie er es nennt. Doch vergeblich. "Sie wollen ja gar nicht heiraten", stellt Wulff irgendwann fest. "Manchmal mache ich ganz gern die Zicke", sagt Sager. "Zickig" sei das richtige Wort, stimmt Wulff zu.

Er zeigt allerdings auch keinerlei Lust auf Experimente. Zwar sagt der CDU-Mann, dass man Schwarz-Grün irgendwann auch mal auf Länderebene ausprobieren müsse, aber er selbst will auf keinen Fall den Anfang machen. Auch wenn die Grünen im Landtag "sympathisch" seien: In Niedersachsen bleibe Schwarz-Grün auf absehbare Zeit eine Utopie. Mit der FDP als Koalitionspartner sei er sehr zufrieden. Mehr noch: Die Liberalen seien jederzeit der Wunschpartner, wenn es für eine absolute CDU-Mehrheit nicht reiche. Sager stimmt zu: Schwarz-Grün sei "eher ein Ausnahme- und Gelegenheitsbündnis" für die kommunale Ebene.

Dabei hatte der Abend launig begonnen. Jobatey startet mit der Frage, wie ein schwarz-grünes Gericht aussehen müsse, das den Gästen auch schmecken würde. Nach einigem Zögern schlägt Wulff "selbstgemachte schwarze Nudeln" vor, denn die schwarzen Hauptzutaten müssten klar erkennbar sein. Zur Abrundung sei dann "grüne Soße" aus Basilikum denkbar, zur Dekoration vielleicht noch einige Salatblätter. Er würde allerdings gern auch noch Parmesan als weitere Farbe draufstreuen.

Das Publikum kichert, Schwarz-Grün klingt ganz lustig. Sager entgegnet: "Bei Nudeln kommt es ganz besonders auf die Soße an." Sie könne sich allerdings auch Schwarzwild mit grünen Bohnen vorstellen. "Er war doch mal bei den jungen Wilden", sagt sie und zeigt auf Wulff.

Beim Atom hört der Spaß auf

Doch das Rumalbern hört schlagartig auf, als zum ersten Mal das Wort Atomkraft fällt. Da verstehen beide keinen Spaß. "Atomklo", "Ökosteuer", "Monopolisten", "Gorleben", "AKWs sind alte Mühlen" - beide feuern aus ihren ideologischen Schützengräben. Der Moderator resigniert bald. "Es ist superspannend, mit Euch über Atom zu reden", sagt er, aber hier gebe es offensichtlich keine Schnittmengen.

Bei anderen Themen sieht es nicht viel besser aus: In der Bildungspolitik wettert Sager gegen das dreigliedrige Schulsystem, Wulff verteidigt es. Der CDU-Mann glaubt auch, die Gemeinsamkeiten in der Familienpolitik seien in den vergangenen Jahren "extrem größer" geworden. Grüne Eltern seien von einem anti-autoritären zu einem konservativen Erziehungsstil übergegangen. Die CDU wiederum habe sich mit der Zustimmung zum Elterngeld vom tradierten Rollenbild verabschiedet.

Sager hingegen betont, dass die CDU mit ihrem Bild von der Alleinverdiener-Ehe noch weit von grünen Standards entfernt sei. Gerade Niedersachsen sei unterdurchschnittlich mit Betreuungsangeboten versorgt. Und Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen habe "verquere Prioritäten" bei der Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten.

Sagers Abgrenzung zeigt, dass die Umstände für Schwarz-Grün in Zeiten der Großen Koalition eher schwieriger als leichter geworden sind. Die Grünen sind zunächst damit beschäftigt, ihre Identität in der Opposition zu finden. Nach sieben Jahren unter dem Joch der SPD geht es ihnen um ein klares grünes Profil, nicht um neue Kompromisse.

Und Wulffs Offenheit ist eher großzügige Attitüde als ernsthaftes Ansinnen. Mehr als einmal wird seine Skepsis über die Machbarkeit schwarz-grüner Bündnisse deutlich. Während er und Sager sich im Abstrakten einig sind - Stärkung der Bürgergesellschaft, Kampf gegen Staatsdenken, Herz für freies Unternehmertum -, tun sich ideologische Gräben auf, sobald es um konkrete Politik geht.

Wulff erinnert daran, dass trotz aller Diskussionen Schwarz-Grün noch nie auf Landes- oder Bundesebene zustande gekommen sei. Ein bisschen sei eine schwarz-grüne Koalition wie der Yeti, sagt er. Man rede viel darüber, aber gesichtet worden sei sie noch nie.

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