Koalitionsbeschlüsse Bonbons für Familien, Saures für Wohlhabende
Berlin - SPD und Union werten die Einführung des Elterngeldes als Systemwechsel. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte heute bei der Vorstellung der Koalitionsvereinbarung, das Elterngeld erleichtere es jungen Familien, Berufs- und Kinderwunsch miteinander zu vereinbaren. Sein SPD-Kollege Hubertus Heil sprach von einem Paradigmenwechsel, der Menschen helfe sich für ein Kind zu entscheiden. CSU-Generalsekretär Markus Söder nannte die Neuerung einen wichtigen Schritt für Familien.
Pofalla bekräftigte, dass zum 1. Januar 2007 einem Elternteil nach der Geburt eines Kindes zwölf Monate lang 67 Prozent des Gehaltes bis maximal 1800 Euro gezahlt würden. Zusätzlich gebe es zwei "Vätermonate". Der Sockelbetrag von 300 Euro werde einkommensunabhängig gezahlt. "Wer nicht arbeitet, bekommt den Sockelbetrag auch", sagte Pofalla. Auf staatliche Transferleistungen wie das Arbeitslosengeld II werde das Elterngeld nicht angerechnet. Auch alleinerziehende Mütter hätten Anspruch auf die beiden Partnermonate, erläuterte Pofalla. Er betonte, der von den Koalitionären vereinbarte Finanzrahmen von 3,8 Milliarden Euro werde nicht überschritten.
Mit den Partnermonaten habe die Koalition eine "Anreizsituation geschaffen, dass auch Väter sich mehr an der Beziehung beteiligen", sagte er. "Wir halten das für einen entscheidenden Systemwechsel." Heil nannte die Partnermonate eine wichtige Komponente. "Es geht um die Gleichstellung von Männern und Frauen." Söder lobte, dass es sich um eine "Bonusregelung" und keine Sanktion handele. Die CSU hatte sich gegen das ursprüngliche Vorhaben gesträubt, von den zwölf Monaten Elterngeld zwei abzuziehen, falls Väter nicht ebenfalls zwei Monate im Beruf aussetzen. Söder sagte, die Ausgestaltung des Elterngeldes sei "ein guter Schritt, der auch Alleinverdienerfamilien mitnimmt".
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast warf der Koalition hingegen "jede Menge Taschenspielertricks" vor. "Irgendwas kann da nicht stimmen", sagte Künast im Nachrichtenfernsehen N24 im Hinblick auf die Finanzierung. Der Kompromiss scheine "schön gerechnet". Sie fügte hinzu: "Ich fürchte, dass an der Stelle man später noch mal in die Taschen des Steuerzahlers greifen wird, wie man ja auch bei der Mehrwertsteuer und bei dem angedrohten Gesundheits-Soli noch mal in unsere Taschen greifen wird."
Reichensteuer kommt
Die Koalition hat sich zudem auf die Einführung einer Reichensteuer Anfang 2007 verständigt. Damit wird für Topverdiener ab einem Jahreseinkommen von 250.000 Euro für Singles und 500.000 Euro für Verheiratete ein Einkommensteuerzuschlag von drei Prozent fällig. Die Reichensteuer gelte nicht für gewerbliche Einkünfte, teilte Heil mit. Angesichts verfassungsrechtlicher Bedenken wegen der Trennung privater und gewerblicher Einkünfte sollen die Eckpunkte für die im Jahr 2008 geplante Reform der Unternehmensteuer bis zur Sommerpause vorgelegt werden.
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel kritisierte die Reichensteuer als blanken Populismus. Dadurch werde ein völlig falsches Signal gegeben, dass nämlich den Bürgern noch mehr Steuern auferlegt würden, sagte er dem WDR. "Jede Steuererhöhung ist falsch, egal ob 2007 oder 2008, Bürger und Betriebe sind zu hoch belastet", sagte er.
Über die Gesundheitsreform werden die Beratungen heute in Berlin fortgesetzt. Im Vordergrund stehen nach dpa-Informationen zunächst die stärkere Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung sowie die Entwicklung der Einnahmen im Gesundheitswesen in den kommenden Jahren. Laut Heil einigte sich die Koalition auch beim Antidiskriminierungsgesetz zur Umsetzung europäischer Vorgaben.
Keine Pendlerpauschale für die ersten 20 Kilometer
Die Koalition hat sich nach Angaben aus Kreisen zudem auf die Streichung der Pendlerpauschale für die ersten 20 Kilometer geeinigt. Dies habe die Runde aus Spitzenpolitikern aus Union und SPD gestern Abend festgelegt, hieß es heute in Berlin. Damit folgt das Regierungsbündnis den Beschlüssen des Koalitionsvertrages.
Um die verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten des Vorhabens zu umgehen, verabredeten die Politiker nach den Angaben, die Pendlerpauschale künftig nicht mehr als Werbungskosten, sondern als außergewöhnliche Belastung zu definieren. Sie brechen damit mit einer langjährigen, wenn auch umstrittenen Tradition im deutschen Steuerrecht. Die Änderung ist allerdings nach Einschätzung von Steuerexperten vor allem systematischer Natur.
Für den normalen Steuerzahler, dessen Entfernung zum Arbeitsplatz mehr als 20 Kilometer beträgt, dürfte sich nichts ändern. Die Entfernungspauschale beträgt derzeit für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte 30 Cent. Berücksichtigt werden nur volle Kilometer. Eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zu Grunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und regelmäßig benutzt wird.
lan/AP/Reuters/dpa