Einigung im Koalitionsausschuss Betreuungsgeld kommt, Praxisgebühr verschwindet

Acht Stunden dauerten die Verhandlungen - um zwei Uhr am Montagmorgen war es geschafft. CDU, CSU und FDP einigten sich auf die Einführung des Betreuungsgeldes, die Abschaffung der Praxisgebühr und mehr Geld für Verkehrswege. Der Haushalt soll strukturell ohne Neuverschuldung auskommen.
Beschwörende Geste: FDP-Generalsekretär Patrick Döring im Bundeskanzleramt

Beschwörende Geste: FDP-Generalsekretär Patrick Döring im Bundeskanzleramt

Foto: dapd

Berlin - Monatelang wurde gestritten zwischen den Regierungsparteien, jetzt haben sich die Spitzen der schwarz-gelben Koalition nach schwierigen Verhandlungen im Kanzleramt bei wichtigen Themen verständigt. Bis um zwei Uhr am Montagmorgen dauerten die Gespräche, bevor die Generalsekretäre der Regierungsparteien vor der Presse die Ergebnisse verkünden konnten.

Insgesamt sollen die Bürger in Milliardenhöhe finanziell entlastet werden. Der Koalitionsausschuss beschloss die Abschaffung der Praxisgebühr zum 1. Januar 2013. Das hatte die FDP verlangt und FDP-Generalsekretär Patrick Döhring verkündete den Erfolg. Eine Senkung der Kassenbeiträge wie von der Union favorisiert gibt es nicht. Die Praxisgebühr spült derzeit knapp zwei Milliarden Euro pro Jahr in die Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung.

Im Gegenzug stimmten die Liberalen endgültig dem CSU-Projekt Betreuungsgeld zu. Es soll aber erst zum 1. August und nicht wie geplant zum 1. Januar 2013 eingeführt werden. Die FDP setzte durch, dass das Geld auch zum sogenannten Bildungssparen verwendet werden kann. Dabei soll es auf ein Konto eingezahlt werden, so dass es später für Studium oder Ausbildung genutzt werden kann. Die Koalition will das Betreuungsgeld noch in dieser Woche in dritter Lesung im Bundestag beschließen lassen, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Die SPD will gegen die Leistung für Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Krippe schicken, vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

Das Betreuungsgeld soll an alle Eltern gezahlt werden, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen. Zunächst soll es für Kinder im zweiten Lebensjahr 100 Euro monatlich geben, ab 2014 auch für Kinder im dritten Lebensjahr und anschließend für alle 150 Euro. Die Regelung für das Bildungssparen soll voraussichtlich in ein eigenes Gesetz gegossen werden, damit das Betreuungsgeld im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig wird und dort scheitern könnte.

Aus für die Leyen-Rente

Die Bundesregierung will auch alsbald Maßnahmen gegen Altersarmut ergreifen. Dies kündigte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe an. Danach soll es bei der Rente Leistungsverbesserungen für Geringverdiener geben, die jedoch nicht beitragsfinanziert, sondern mit Steuermitteln bezahlt werden sollen. Die von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) favorisierte beitragsfinanzierte Zuschussrente wird es nicht geben.

Die CSU konnte sich mit ihrer Forderung nach mehr Geld für die Verkehrswege weitgehend durchsetzen. Trotz der anvisierten rascheren Haushaltskonsolidierung soll Verkehrsminister Peter Ramsauer dafür weitere 750 Millionen Euro bekommen. Verlangt hatte er eine Milliarde Euro mehr.

Der Haushalt 2014 soll strukturell ohne Neuverschuldung auskommen. Das heißt, dass Konjunkturschwankungen sowie Einmalzahlungen wie die dann fällige letzte Rate in Höhe von 4,3 Milliarden Euro an den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM ausgeklammert werden. Damit hat die Regierung immer noch Spielraum für neue Schulden. Für das Einhalten der Schuldenbremse entscheidend ist aber das strukturelle Defizit.

CSU-Chef Horst Seehofer hatte vor dem Treffen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gesagt, Entscheidungen seien nötig, um für eine Wiederauflage von Schwarz-Gelb nach der Bundestagswahl 2013 werben zu können. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte in der ARD, die Regierung müsse sich als handlungsfähig zeigen. Alle Koalitionsparteien müssten von den Ergebnissen der Runde im Kanzleramt profitieren: "Jeder muss bei so einer Einigung ein Stück haben, was er nach Hause tragen kann."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kritisierte in der ARD: "Um Herrn Rösler und anderen das Leben noch ein bisschen zu verlängern", würden im Kanzleramt "einige Kuhhandel" vereinbart. Die Koalition werde Wahlgeschenke ohne Rücksicht auf den Haushalt verteilen. Junge Politiker von Union und FDP mahnten laut "Bild am Sonntag" Haushaltskonsolidierung als oberstes Ziel an.

Während der langwierigen Verhandlungen hatten sich die drei Parteichefs Merkel, Seehofer und Rösler zwischenzeitlich zu Gesprächen zurückgezogen, dann wieder berieten Union und FDP getrennt, bevor schließlich alles wieder in großer Runde mit den Fraktionsvorsitzenden, Parlamentarischen Geschäftsführern und Generalsekretären Punkt um Punkt festgezurrt wurde.

cai/dpa/AP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren