Schwarz-gelber Gipfel Koalition versucht sich an Versöhnung

Parteichefs Rösler, Merkel, Seehofer (Archivbild): "Ausnehmend wichtiger Termin"
Foto: dapdBerlin - Seit 18 Uhr versuchen die Spitzen von CDU, CSU und FDP am Sonntagabend im Kanzleramt, eine ganze Reihe von Streitthemen aus dem Weg zu räumen. Nach getrennten Vorberatungen von Union und Liberalen kamen die FDP-Vertreter kurz vor dem verabredeten Termin zu dem von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel geführten Koalitionsausschuss in die Regierungszentrale. Zuvor hatte Merkel hatte mit den Chefs von CSU und FDP, Horst Seehofer und Philipp Rösler, bereits in einer Telefonschaltkonferenz gesprochen. Ergebnisse wurde nicht bekannt.
Der Abend könnte jedenfalls lang werden. Denn noch am Vormittag hieß es im Regierungsbündnis, in den wichtigsten strittigen Punkten wie Rente und Praxisgebühr habe es bislang keine Annäherung gegeben. In den vergangenen Tagen hatten die Regierungsparteien noch einmal ihre zum Teil sehr gegensätzlichen Positionen bekräftigt. Das Treffen des Koalitionsausschusses ist die letzte Möglichkeit für das Parteien-Trio, noch größere Projekte auf den Weg zu bringen, bevor der Bundestagswahlkampf die Arbeit überlagert. Dabei geht es unter anderem um:
- Das Betreuungsgeld: Das Lieblingsprojekt der CSU soll endlich verabschiedet werden. Fraglich ist die konkrete Ausgestaltung. Dass die Auszahlung von zunächst 100 und später 150 Euro an regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen der Kinder gekoppelt wird, scheint sicher. Unklar ist dagegen noch, ob es einen Zuschuss für jene Eltern gibt, die das Geld zur zusätzlichen Altersvorsorge oder auf einem Bildungskonto anlegen. Darüber hinaus verlangt die FDP für ihre Zustimmung eine Gegenleistung.
- Das könnte die Abschaffung der Praxisgebühr sein. Diese ist für Parteichef Philipp Rösler inzwischen ein Prestigeprojekt, Fraktionschef Rainer Brüderle hat dagegen auch die von der CSU geforderte Absenkung des Beitragssatzes für die gesetzlichen Krankenkassen oder eine Kombination von beidem vorgeschlagen.
- Streitfall bleibt auch die Energiewende. Die FDP will möglichst schnell das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) reformieren. "Je schneller wir aus dem Fördersystem des EEG aussteigen, desto besser", sagt FDP-Generalsekretär Patrick Döring. Doch Umweltminister Peter Altmaier (CDU) mahnt zur Gründlichkeit, der Ausgang der Debatte ist offen.
- Das gilt auch für den Kampf gegen die Altersarmut. Gegen den Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drängt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf eine schnelle Lösung. Doch die Union konnte sich bislang nicht über unterschiedliche Vorschläge für eine aufgestockte Grundsicherung, höhere Riester-Freibeträge und eine bessere Anrechnung von Kindererziehungszeiten einigen. Zudem ist auch hier die Zustimmung der FDP offen.
Am Gipfel nehmen die Parteichefs Angela Merkel, Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) teil. Hinzu kommen die Fraktionschefs, Generalsekretäre und parlamentarischen Geschäftsführer. Auch der Chef des Bundeskanzleramts, Ronald Pofalla (CDU), und die stellvertretende FDP-Vorsitzende Birgit Homburger sind dabei. Vor allem Seehofer mahnte in den vergangenen Tagen wiederholt an, der erste Koalitionsgipfel nach fast einem Jahr müsse Ergebnisse bringen. Es handele sich um einen "ausnehmend wichtigen Termin", sagte Seehofer der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
"Ich-linge in Berlin"
Doch besonders die Differenzen zwischen CSU und FDP sind groß. Die Spitze der Liberalen steht angesichts schlechter Umfragewerte zunehmend unter dem Druck der Basis. Der sächsische FDP-Landesvorsitzende Holger Zastrow machte beim Landesparteitag den Egoismus seiner Berliner Parteikollegen verantwortlich für die Krise. "Es sind die Ich-linge in Berlin, die die Partei kaputt machen", sagte Zastrow. Den Berliner Politbetrieb bezeichnete er als einen Kosmos mit Wichtigtuern, in dem insbesondere die Selbstdarstellung einiger Parteikollegen in den Medien für "Dunst und Nebel" sorge.
Zuvor hatten sich bereits die Landesvorsitzenden von Hamburg und Rheinland-Pfalz, Sylvia Canel und Volker Wissing, kritisch über die Koalition in Berlin geäußert. Canel sagte, sie hätte sich eine Koalition gewünscht, "in der die Union mehr Absprachen auch zu unseren Gunsten treffen würde".
Laut "Frankfurter Rundschau" könnte die CDU mit der Position in die Verhandlungen gehen, sowohl auf das Betreuungsgeld als auch auf das Aus für die Praxisgebühr zu verzichten. Stattdessen solle die Haushaltskonsolidierung zur Priorität erklärt und Änderungen bei der Rente für Arme verabschiedet werden. Allerdings könnte es sich dabei dem Bericht zufolge lediglich um eine Drohgebärde handeln, damit sich die kleineren Koalitionspartner CSU und FDP mit ihren jeweiligen Forderungen nicht zu sicher fühlen.
Angela Merkel jedenfalls ließ offen, in welche Richtung sie ihre Koalition steuern will. In ihrer Rede beim CDU-Landesparteitag in Mecklenburg-Vorpommern warf der Wahlkampf schon erste Schatten voraus. Es sei zwar wichtig zu sagen, was die CDU seit 2005 erreicht habe, sagte Merkel. "Aber dafür wird uns kein einziger Mensch wählen."