Koalitionspläne mit der Union FDP kündigt harte Verhandlungen an

FDP-Chef Guido Westerwelle: Unionspolitiker fordern Zurückhaltund von den Liberalen
Foto: Frank Augstein/ APBerlin - Einen Tag nach der Bundestagswahl zeigen die Liberalen Stärke: Die Union würde schnell lernen, dass die FDP durchsetzungsfähiger und hartnäckiger sei als die Sozialdemokraten, sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Philipp Rösler im Deutschlandradio Kultur. Bayerns FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wies im Bayerischen Rundfunk auf deutliche Unterschiede zwischen Union und FDP in der Steuer- und Finanzpolitik sowie in der Innen- und Rechtspolitik hin.
Über die Zahl der von der FDP zu besetzenden Ministerien werde erst "am Ende" mit der Union geredet, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Sie betonte allerdings: "Wir sind deutlich stärker als die CSU." Die Frage, ob sie selbst als Ministerin in die künftige Bundesregierung gehen wolle, ließ die FDP-Politikerin offen. "Da mache ich mir heute keine Gedanken."
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel bekräftigte die Pläne seiner Partei für eine Steuerreform. "Wir haben immer nur eine einzige Bedingung gemacht im Wahlkampf: Wir brauchen eine echte Steuerstrukturreform, eine Vereinfachung und Entlastung im Steuersystem", sagte Niebel dem Fernsehsender Phoenix. Die FDP hatte am Sonntag bei der Bundestagswahl mit 14,6 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt. Nur dank des starken Abschneidens der Liberalen reichte es für Schwarz-Gelb, da die Union mit 33,8 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte einstecken musste.
Union und FDP wollen schon an diesem Montag einen Fahrplan zur Regierungsbildung abstecken. Wie FDP-Generalsekretär Dirk Niebel am Montag sagte, kommen Bundeskanzlerin Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle am Nachmittag im Kanzleramt zusammen, um über Verfahrensfragen zu beraten. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hatte am Morgen einen Abschluss der Koalitionsverhandlungen innerhalb von vier Wochen in Aussicht gestellt.
Mittelstandsunion kritisiert Merkel-Wahlkampf
Innerhalb der Union wird das schlechte Wahlergebnis bereits thematisiert. Der Unionswirtschaftsflügel hat den Wahlkampf von Angela Merkel für das vergleichsweise schwache Abschneiden verantwortlich gemacht und Konsequenzen gefordert. "Der Wahlkampf war viel zu eng an die Sache und die Personen der SPD angelehnt. Deswegen sind wir dann am Ende auch in deren Abwärtssog hineingeraten", sagte der Chef der Mittelstandsunion (MIT), Josef Schlarmann (CDU), dem "Handelsblatt". Schlarmann nannte als Beispiel für das unklare Unionsprofil die Unterstützung von Kanzlerin Merkel für eine Börsenumsatzsteuer. "Wer hätte vor vier Jahren für möglich gehalten, dass sich die CDU für eine Tobin-Steuer einsetzt", sagte Schlarmann.
Auch der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsunion, Hans Michelbach, kritisierte, dass "beträchtliche Teile des Mittelstandes und der Mittelschicht" zunehmend an der "zu großen Nachgiebigkeit der Union gegenüber den sozialdemokratischen Zumutungen in der Großen Koalition" gelitten hätten. Obwohl die "Signale des Unmuts" jeder habe vernehmen können, hätten sich viele in der Union aber "blind und taub" gestellt, sagte Michelbach "Handelsblatt.com".
Koch warnt vor internem Streit
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) warnte angesichts großer Stimmverluste der CSU vor einem Streit innerhalb der Union. "Wir leben in einem Spannungsfeld miteinander. Das ist ein Vorteil. Aber das darf nicht zum Streit werden, das wäre ein Nachteil", sagte Koch am Montag in Berlin vor der Präsidiumssitzung der CDU. Bei der Analyse der Wahl müssten "sicher noch ein paar Details" diskutiert werden. Er empfehle aber, genau hinzuschauen, wie eine Zusammenarbeit zwischen den Unionsparteien besser werden könne. Einen Wechsel in die Bundesregierung schloss der CDU-Vize für sich persönlich aus.
Mit Blick auf eine Koalition mit der FDP sagte Roland Koch: "Die FDP ist auch als starke Partei eine vernünftige und rationale Partei." Alle drei Beteiligten, die nun gemeinsam an einem Tisch säßen, wüssten, dass sie darauf angewiesen seien, Kompromisse zu finden, die für alle Beteiligten "erträglich" seien. Da Union und FDP bereits in einigen Bundesländern zusammenarbeiten würden, müsste eine Zusammenarbeit im Bund nicht erst geübt werden, sagte Koch weiter. Er sei daher davon überzeugt, dass die Verhandlungen in "angemessener Zeit" zu Ende gebracht werden könnten. Aus Sicht von Angela Merkel sollen die Gespräche spätestens in der nächsten Woche beginnen.
FDP soll sich zurückhalten
Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach erwartet, dass die FDP "natürlich mit breiter Brust an den Verhandlungstisch kommen" werde. Dennoch rechne er damit, dass die Liberalen die politischen Realitäten zur Kenntnis nehme. Das gelte auch für Sicherheitsfragen und die aktuelle Bedrohungslage. Bosbach räumte ein, dass in der Innen- und Rechtspolitik die Unterschiede zwischen Union und FDP besonders groß seien.
Kochs niedersächsischer Amtskollege Christian Wulff forderte die FDP zu Zurückhaltung auf. "Jetzt gilt die Hoffnung natürlich auch, dass die FDP nicht abhebt, dass sie nicht die Bodenhaftung verliert", sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende am Montag dem Radiosender NDR Info. Andernfalls würden die Wähler die Partei auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Er sei jedoch "grundlegend Optimist" und glaube daran, mit der FDP erfolgreich regieren zu können, sagte Wulff. Es gehe um eine gemeinsame Verantwortung.
Die Stimmverluste der Union seien eine Folge der Großen Koalition, durch die sich nicht jeder CDU-Wähler "wohlgefühlt" habe. Dennoch könne das Abschneiden der Union mit 33,8 Prozent "nicht befriedigen". Seine Partei habe die Große Koalition "gerade überlebt". Die CDU müsse als "Volkspartei der Mitte" nun eine "Strategie 40 plus" entwickeln. Zudem sei eine "kämpferische Auseinandersetzung" mit der Linken notwendig, die "viel zu stark geworden" und "eine Gefahr für unser Land" geworden sei.