Koalitionsstreit Merkel knöpft sich Struck vor
Hamburg - Angela Merkel rief Peter Struck zur Ordnung: "Es reicht jetzt mit den unaufhörlichen Angriffen von Herrn Struck auf die Ministerpräsidenten der Union", sagte sie der "Bild am Sonntag". Die Union sei stolz darauf, im Gegensatz zur SPD in den Ländern stark zu sein. "Ich habe den Eindruck, Herr Struck will von den Auseinandersetzungen in seinen eigenen Reihen ablenken", sagte Merkel und fügte hinzu: "CDU und CSU empfinden die täglich wiederholten Attacken als eine Zumutung." Hier sei der SPD-Vorsitzende Kurt Beck gefordert. "Die Koalition kann nur gelingen, wenn die SPD Respekt vor der gesamten Union hat, ebenso wie das die SPD selbstverständlich auch umgekehrt gegenüber der Union für sich in Anspruch nehmen kann", sagte die CDU-Chefin.
Zuvor hatte der SPD-Fraktionschef Merkel vor neuen Konflikten mit den Unions-Ministerpräsidenten gewarnt. Sie habe sich in der Debatte um die Gesundheitsreform sehr bemüht, die vereinbarten Eckpunkte einzuhalten, sagte Peter Struck. Dabei habe die SPD aber zur Kenntnis nehmen müssen, "dass einige Ministerpräsidenten Schwierigkeiten gemacht haben." Struck zufolge wird sich das auch in Zukunft vermutlich nicht ändern. "Angela Merkel hat in den vergangenen Wochen erfahren müssen, dass sie noch einen schweren Weg vor sich hat, die Ministerpräsidenten immer mit sich zu nehmen", sagte Struck der "Welt am Sonntag".
Er hoffe, dass Merkel diese Ministerpräsidenten nun davon überzeugen könne, den gefundenen Kompromiss auch wirklich einzuhalten, sagte Struck weiter. Ob die Kanzlerin die Kraft habe, sich auch künftig durchzusetzen, werde sich bei den jetzt anstehenden Vorhaben der Großen Koalition zeigen. Bei der Unternehmenssteuerreform und der Änderung der Erbschaftssteuer seien die Länder direkt betroffen. "Da wird die Kanzlerin erneut vor der Aufgabe stehen, dass sie Zusagen an die Koalition auch bei den Ländern einfordern muss", sagte Struck.
Auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat Struck bereits für seine Aussagen scharf kritisiert. "Herr Struck hätte besser jetzt mal öffentlich geschwiegen", sagte er heute am Rande des sächsischen CDU-Parteitages in Pirna. "Mit der Intensität, in der er uns bemakelt, hätte er jetzt mal besser dafür gesorgt, dass er in seiner Fraktion die Mehrheiten findet, damit wir eine gute Gesundheitsreform beschließen können", fügte er hinzu.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble forderte die Union indessen zu mehr Geschlossenheit und Disziplin auf. Er sei sehr für Diskussionen und einen offenen Umgang in der Partei, sagte er auf dem Bezirksparteitag der CDU Nordwürttemberg heute in Winnenden. Gemeinsam getroffene Entscheidungen müssten aber auch gemeinsam verantwortet werden. Manchmal sei es besser, "man hält öffentlich mal den Mund", sagte Schäuble, der auch die Kritik an Kanzlerin Merkel zurückwies. Die Große Koalition habe seit ihrem Antritt vor gut einem Jahr schon viel erreicht. "Wir sind auf einem guten Weg".
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger mahnte, die Gesundheitsreform dürfe nicht der einzige Gradmesser für die CDU/SPD-Bundesregierung sein. Mit der Handschrift der Union seien schon viele Erfolge in anderen Bereichen erzielt worden, sagte der CDU-Politiker heute in Pirna. Er warb mit Blick auf die nächste Bundestagswahl um Unterstützung für die Union und Merkel. "Wir müssen alles tun, dass die Union mit Frau Merkel Erfolg hat." Die Koalition mit der SPD sei für noch drei Jahre auf Zeit notwendig. "Wir müssen gemeinsam am Erfolg der Regierung arbeiten."
Oettinger nannte die Gesundheitsreform die schwierigste Baustelle der Großen Koalition in Berlin. "Dort bekommen wir eine befriedigende, keine sehr gute Lösung", sagte er. Allerdings sei auch hier Handlungsblockade der falsche Weg. "Wir brauchen eine Gesundheitsreform, damit Gesundheit in den nächsten Jahren finanzierbar bleibt."
ler/AFP/ddp/dpa