Koalitionsverhandlungen Union und SPD quälen sich durch die Reizthemen

Künftige Koalitionäre Merkel, Gabriel, Seehofer: Aufwärmphase ist vorbei
Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFPBerlin - Im Regierungsviertel ging es am Donnerstag geschäftig zu: Ob im Verkehrsministerium, Umweltministerium oder den Liegenschaften des Bundestags, überall brüteten die Fachgruppen von Union und SPD über Papieren, Smartphones und Argumenten.
Knapp eine Woche nach dem Start der schwarz-roten Koalitionsgespräche ist die Aufwärmphase vorbei. Gleich fünf Expertenteams tagten parallel, dazu kam eine ganze Reihe von Reizthemen auf die Verhandlungstische.
Vor allem für die Verbraucher wird es spannend: Pkw-Maut, Strompreise, Gesundheit oder Datenschutz standen im Fokus der Gesprächsrunden. Themen, die Millionen Bürger interessieren, weil es ums eigene Portemonnaie geht oder um die private Kommunikation.
Die Annäherung von Union und SPD gestaltet sich weiter schwierig. Teilweise tagten die Verhandlunggruppen länger als geplant und bis in die Abendstunden hinein. Doch bei zentralen Streitfragen deuten sich erste Kompromisslinien an. Der Überblick:
1. Energiewende

Die Chefverhandler der Energiegruppe demonstrieren Einigkeit: "Sauber, bezahlbar, sicher" (Peter Altmaier, CDU) beziehungsweise "sicher, bezahlbar, ökologisch" (Hannelore Kraft, SPD) müsse die Energiewende sein, sagen beide. Doch das Mammutprojekt ist natürlich viel komplizierter. Die künftige Koalition will Jobverluste vermeiden, Energiekonzerne schützen, Wind- und Solarkraft ausbauen und die Strompreise moderat halten.
Einig war man sich nach sechs Stunden Konferenz nur in Grundsätzen: Fest steht, dass der Ausbau von Stromleitungen und Speicherwerken schneller als bisher vorangehen muss. Auch wollen beide Seiten das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zügig reformieren, damit die Preise nicht weiter steigen. Bis Ostern 2014 soll ein neues Gesetz stehen. Ob es milliardenschwere Subventionen für Kohle- und Gaskraftwerke geben wird, die sich seit dem Ökostrom-Boom nicht mehr rentieren, ist noch offen.
2. Pkw-Maut

Eine Pkw-Maut wird es nicht geben - darin waren sich CDU und SPD im Wahlkampf einig. Doch plötzlich hat das Lieblingsprojekt der CSU eine Chance. In Brüssel hält man die Pläne einer sogenannten Ausländermaut für rechtlich machbar. Am Rande der Verkehrsarbeitsgruppe machten die Sozialdemokraten klar, dass sie die Pläne weiter ablehnen. Der Grund: Auch wenn deutsche Pkw-Besitzer zunächst über die Kfz-Steuer entlastet würden, wäre der Anreiz groß, das Mautsystem irgendwann auf alle Fahrer auszuweiten.
Doch bei aller Skepsis wissen auch die Kanzlerin und die SPD: Ohne Steuererhöhungen könnte die Pkw-Maut der einzige Weg sein, um die Milliarden für die dringend benötigten Verkehrsinvestitionen lockerzumachen. Voraussetzung dürfte allerdings ein Modell sein, das Belastungen vor allem für Fahrer von Klein- und Mittelklassewagen ausschließt.
3. Vorratsdatenspeicherung

Die neuesten Snowden-Enthüllungen haben den Datenschutz in den Fokus der Arbeitsgruppe Innen gerückt. Eine der zentralen Fragen: Wie steht Schwarz-Rot zur Vorratsdatenspeicherung? Unter Netzpolitikern ist das Instrument, mit dem private Kommunikation zur Verbrechensbekämpfung für mindestens sechs Monate aufbewahrt werden soll, verhasst. Doch die Innenexperten von Union und SPD stellen die EU-Richtlinie nicht grundsätzlich in Frage.
Ein Dissens ist allerdings erkennbar: Während Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bislang auf der sechsmonatigen Speicherfrist beharrt, will die SPD-Seite zunächst am liebsten keine konkrete Regelung im Koalitionsvertrag festlegen, sondern erst das noch ausstehende Urteil des Europäischen Gerichtshofs abwarten. Ein möglicher Kompromiss, den man auch in der Union für vorstellbar hält: Man erklärt die Absicht, sich in Brüssel für kürzere Speicherfristen und einen besseren Schutz der Daten einzusetzen.
4. Gesundheit

Die Gesundheitsreform ist ein Dauerbrenner, der schon unter Schwarz-Gelb weitgehend auf Eis lag. Auch bei den Partnern von Union und SPD gibt es Streit in der Schlüsselfrage, wie die gesetzlichen Krankenkassen gestaltet werden sollten. Die Union stemmt sich gegen eine Bürgerversicherung, einer Kernforderung der SPD.
Einig sind sich die Parteien darin, dass der Bedarf in der Pflege rapide ansteigt. Und das ist ohne mehr Geld nicht zu bewältigen. Deshalb läuft schon in der Frühphase der Koalitionsverhandlungen alles auf höhere Beiträge hinaus. Derzeit gilt bei den Pflegebeiträgen ein Satz von 2,05 Prozent, für Kinderlose 2,3 Prozent. Dass dieser angehoben werden muss, wurde am Donnerstag bekräftigt.

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