Kochs Rückzieher Ade, Bösewicht
Politik kann ein großes Schauspiel sein. Es gibt Helden, Prinzessinnen, Hofnarren und - natürlich - Schurken. Die Rolle des Bösewichts war in Deutschland immer gut besetzt. Früher war es Franz-Josef Strauß. Und dann - bis zu seinem Rücktritt - Roland Koch.
Natürlich wurde ihm die Rolle von seinen Gegnern zugeschrieben, aber der Hesse hat selbst auch viel dafür getan, um sie mit Bravour auszufüllen. Man denke nur an die Schwarzgeldaffäre, in der es sein Landesverband mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Oder, noch schlimmer, seine Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Mit dem Schüren ausländerfeindlicher Stimmungen kam er 1999 an die Macht. Es war sein Gesellenstück in der Bösewicht-Schule.
Er hat sich viele Feinde gemacht. Und doch muss gesagt werden: Roland Koch war ein Vollblutpolitiker. Einer, der Macht eroberte, sie einsetzte. Er wusste sich durchzusetzen. Er ist intelligent, ein scharfer Rhetoriker und strategisch versiert. Selbst der Abgang war eine Demonstration der Stärke: Nicht andere bestimmten über sein Ende, sondern er selbst. Chapeau dafür.

Ende einer Politkarriere: Kochs Überraschungscoup
Koch war in seiner politischen Karriere nie Wischiwaschi. Das wohltemperierte Sowohl-als-auch war ihm ein Graus. Er hatte ein klares Profil als Konservativer in der Union. Er war der Sparminator, der genau jene liberale Deregulierungspolitik durchsetzen wollte, von der viele in seiner Partei träumten. Er machte gegen Ganztagsschulen und Kita-Ausbau mobil, gegen "Gedöns" eben - wie sie moderne Gesellschaftspolitik in seinen Kreisen gerne nennen. Das mag man doof finden, aber man kann auch sagen: Im Gegensatz zu vielen anderen Politikern hatte Koch wenigstens eine Linie.
Koch geht, der Anden-Pakt stirbt
Das führt zu der Frage, was der Abgang für Angela Merkel bedeutet. Zunächst einmal dürfte sie aufatmen. Koch war ihr ärgster Rivale in der Partei. Kochs politisches Ende bedeutet auch das Ende des Anden-Pakts. Das ist jenes Männerbündnis, das aus westdeutschen Unionspolitikern bestand und das manches Mal klar gegen Merkel arbeitete. Der Anden-Pakt verliert mit Koch endgültig seine Kraft und Bedeutung.

Roland Koch: Alphatier aus Hessen
Als einer der wenigen in der Union vermochte es Koch, Widerstand gegen Merkel zu organisieren. Er half vor der Wahl 2002 dabei mit, ihre Kanzlerkandidatur zu verhindern. In den letzten Tagen bewies er erneut, wie gefährlich er für Merkel sein kann: Als er nach der Wahlpleite der CDU in NRW als Anführer des Unmuts gegen die schwarz-gelbe Koalition fungierte, bebte unter Merkels Füßen in Berlin kurze Zeit die Erde.
Besiegen konnte er sie nicht. Sie regiert in Berlin. Er nicht. Auch gibt es für ihn keinen Platz an ihrem Kabinettstisch - wenn er ihn denn wirklich wollte. Wolfgang Schäuble bleibt, damit ist auch diese Option verbaut. Womöglich sind diese frustrierenden Erfahrungen ein Grund für ihn, sich nach neuen Aufgaben umzusehen. Die Machtmaschine Merkel hätte damit ihr nächstes Opfer überrollt.
Fest steht: Bei aller diebischen Freude über den Abgang des ewigen Widersachers dürfte die Kanzlerin auch ins Grübeln kommen. Die Union hat ohne Koch ein Problem. Den Unzufriedenen geht ein wichtiger Hoffnungsträger und eine Integrationsfigur verloren. Bislang konnten sich die Merkel-Kritiker sagen: Der Koch passt schon auf, dass die in Berlin nicht zu viel Unsinn machen. Merkel wiederum konnte sich sicher sein, dass sie Ruhe im Laden hatte, wenn sie Koch und seinen tiefschwarzen Flügel einband. Die Unzufriedenen und Nörgler werden nun heimatlos - und damit unberechenbar.
Bisweilen war es ein gedeihliches Wechselspiel, das Merkel und Koch als "Heldin" und "Bösewicht" aufführten. Es folgte der alten Regel: Umso böser der Bösewicht, desto mehr strahlt die Heldin. Für Merkel war das besonders schön.
Nun braucht sie einen neuen Bösewicht.