Köhler-Nachfolger Böhrnsen Staatsoberhaupt für 30 Tage

Nach Köhlers Rücktritt übernimmt der Präsident des Bundesrats den Job des Staatsoberhaupts: Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen. Im Gegensatz zum unbequemen Köhler ist er ein Mann der leisen Töne - doch unterschätzen sollte man den SPD-Politiker nicht.
Interims-Bundespräsident Böhrnsen: "Respekt" für Köhlers Entscheidung

Interims-Bundespräsident Böhrnsen: "Respekt" für Köhlers Entscheidung

Foto: Soeren Stache/ picture alliance / dpa

Jens Böhrnsen

Frankfurt am Main - Sein Name dürfte am deutschen Stammtisch noch nicht oft gefallen sein - im Gegenteil: (SPD) wird außerhalb Bremens bislang allenfalls wirklich Politikinteressierten ein Begriff sein. Möglicherweise erinnert sich auch der ein oder andere Teenager dunkel an den 60-jährigen Bremer Bürgermeister mit den dem sauber gescheitelten grauen Haar. 2008 nämlich watschte Böhrnsen Pop-Titan Dieter Bohlen ab, als er diesem eine Aufzeichnung der Casting-Show "Deutschland sucht den Superstar" im historischen Bremer Rathaus verweigerte. Die Casting-Kandidaten würden in der Sendung gezielt "erniedrigt", teilte Böhrnsen nüchtern mit.

Horst Köhler

Ansonsten ist der Bremer mit dem zurückhaltenden Lächeln außerhalb des kleinsten deutschen Bundeslandes nicht allzu oft aufgefallen. Nun rückt er plötzlich ins Rampenlicht - und es ist einer der historischen Zufälle, die Böhrnsen selbst wohl am wenigsten erwartet hätte. Seit Montag ist er Staatsoberhaupt der Bundesrepublik. Das kommissarische zumindest. Der Grund: Der Bremer Bürgermeister ist seit Oktober 2009 turnusgemäß Präsident des Bundesrats. Und laut Artikel 57 des Grundgesetzes übernimmt er damit die Amtsgeschäfte von Bundespräsident , der am Montag so völlig überstürzt zurückgetreten ist.

Kein "Oma-Knutscher"

Böhrnsen wurde 1949 im ärmlichen Bremer Stadtteil Gröpelingen geboren. Sein Vater ist Werftarbeiter, Gewerkschafter und überzeugtes SPD-Mitglied. Der Sohn studiert Rechtswissenschaften. Wird nach dem zweiten Staatsexamen Assessor in der bremischen Verwaltung, danach Richter. 17 Jahre lang. Erst dann zieht es den Familienvater in die Politik.

Seit 1995 ist Böhrnsen in der Bürgerschaft, schon 1999 rückte er an die Fraktionsspitze. Anfang November 2005 wird Böhrnsen mit 62 Stimmen zum Präsidenten des Senats und zum Bürgermeister gewählt, nachdem Henning Scherf seine Karriere beendet hatte.

Böhrnsen tut sich schwer damit, aus dem Schatten seines beliebten Vorgängers herauszutreten. Auf einem Bremer Weihnachtsmarkt, wo diverse Promi-Politiker als Hampelmänner angeboten werden, kommt der Verkauf der Böhrnsen-Puppe auch Wochen nach seiner Amtsübernahme nur zäh in die Gänge. Während die Marionette Scherfs, des berüchtigten "Oma-Knutschers", von Anfang an der Renner ist.

Viel Raum zur Gestaltung hat er allerdings schon wegen der finanziellen Schwierigkeiten Bremens nicht, und so fährt Böhrnsen bei den Wahlen 2007 ein maues Ergebnis ein. Er beendet die Koalition mit der CDU und schmiedet ein Bündnis mit den Grünen.

Deutliche Worte, wenn es drauf ankommt

Böhrnsen kann, wenn es darauf ankommt, durchaus deutliche Worte finden - und das nicht nur, wenn Sprücheklopfer Bohlen mit seinem Kamerateam vor dem Rathaus erscheint. Auch in Krisensituationen zeigte Böhrnsen in der Vergangenheit Mut zum klaren Statement - so etwa, als er nach dem Tod des kleinen Kevins in Bremen das "unverzeihliche Versagen" des Jugendamtes eingestand.

Pointierte Grundsatzreden, wie sie Köhler zuweilen gehalten hat, wenn er etwa die Finanzmärkte als "Monster" geißelte, sind von Böhrnsen in seiner neuen Funktion wohl trotzdem nicht zu erwarten. Schon weil der Bremer das Spitzenamt allenfalls für vier Wochen wahrnehmen wird. Binnen 30 Tagen muss laut Grundgesetz ein neuer Bundespräsident gewählt werden.

Für diesen Interimsposten ist der bedachtsame Bremer jedoch bestens gerüstet. Schließlich wird es in erster Linie um die Wahrnehmung von Pflichtterminen gehen, auch wenn im Bundespräsidialamt auf Anfrage in all der Aufregung niemand sagen kann, was eigentlich so in den kommenden Wochen ansteht.

"Respekt" für Köhlers Entscheidung

Böhrnsen hat bereits eine gewisse Übung in der Rolle des Staatsoberhauptes. Seit Oktober hat er Köhler gelegentlich vertreten, wenn dieser auf Staatsbesuch oder im Urlaub war. Vor wenigen Wochen hätte Böhrnsen sogar um ein Haar die Unterschrift unter das historische Gesetz für das milliardenschwere Euro-Rettungspaket übernehmen müssen: Köhler war an jenem geschichtsträchtigen Freitag, als der Bundesrat über den Schirm abstimmte, in China und kehrte erst in letzter Minute zurück.

Seinen ersten Job nach Köhlers Rücktritt hat Böhrnsen schon souverän erledigt. Zu dem überraschenden Abgang Köhlers äußerte er sich staatsmännisch zurückhaltend. Während anderswo verhaltene Kritik an der Entscheidung Köhlers laut wurde, sagte Böhrnsen lediglich über Köhler nur: "Ich habe ihm meinen Respekt für seine Entscheidung ausgedrückt."

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