Präsident Gauck Der Freund der Freiheit schweigt zur NSA-Affäre

Er wollte ein unbequemer Präsident werden. Das hatte Joachim Gauck angekündigt, als er für das höchste Staatsamt zur Wahl stand. In der NSA-Affäre hätte er Gelegenheit dazu. Stattdessen sagt er fast nichts. Von einem, der die Freiheit zu seinem großen Thema gemacht hat, ist mehr zu erwarten.
Bundespräsident Gauck mit US-Präsident Obama: Im Pro-Amerikanismus verfangen?

Bundespräsident Gauck mit US-Präsident Obama: Im Pro-Amerikanismus verfangen?

Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS

In der Halbzeitpause des DFB-Pokalfinales FC Bayern München gegen VfB Stuttgart war dem Fernsehreporter ein Fußball-Experte der gehobenen Art vor das Mikrofon geraten: Bundespräsident Joachim Gauck war voll des Lobes für die Stuttgarter, die sich so tapfer wehrten gegen die bayerische Übermacht. Gespannt sei er auf die zweite Halbzeit, ob die das durchhalten könnten. Gauck redete und redete an diesem 1. Juni im Berliner Olympiastadion. Gauck ein Fußball-Experte? Das war selbst für Gauck-Kenner neu.

Am Dienstag gab es nun wieder eine Überraschung, die knappe Stellungnahme des Bundespräsidialamtes im "Handelsblatt", der Bundespräsident habe sich bereits ausführlich zu jener Spionageaffäre geäußert, die mit dem Kürzel NSA verbunden ist, und verfolge die Debatte aufmerksam. In dieser Affäre geht es um das Verhältnis von Deutschland zu den USA, um die Macht der Geheimdienste, den Amtseid der Kanzlerin und um das Lebensthema Gaucks - die Freiheit. Aber von ihm gibt es bisher nicht viel mehr als nebenbei zu erklären, er sei "besorgt"?

Im ZDF-Sommer-Interview hatte er sich noch zurückhaltend geäußert, weil wenig bekannt war von diesem Skandal. Er hatte Fragen gestellt. Aber nun sind Antworten von ihm gefragt.

Als Joachim Gauck noch nicht Bundespräsident war, stand er zu Recht im Ruf, ein unbequemer Mensch zu sein. Als Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen hat er sich mit vielen angelegt, sogar mit Bundeskanzler Helmut Kohl, der von der Öffnung der Stasi-Akten nicht viel hielt. Besonders gern attackierte Gauck die "West-Linke", die "Alt-68er", diese Unbelehrbaren, verfangen im Antiamerikanismus.

Als Gauck nicht mehr Bundesbeauftragter war, da fuhr er als freier Redner durch Deutschland, sah sich als Botschafter der Freiheit im Land der Sicherheit. Er reiste in die USA und schwärmte nach der Rückkehr von dem unverkrampften Patriotismus der Amerikaner, von deren Liebe zur Freiheit, davon, dass sie immer erst sich und dann den Staat in der Pflicht sähen.

Als Gauck Überraschungskandidat fürs höchste Staatsamt wurde, da kündigte er an, ein unbequemer Präsident zu werden - wider den Zeitgeist, wider den Opportunismus, wider den Populismus.

Und als Präsident? Er hat dem Amt Würde zurückgeben. Aber war er unbequem?

Anfang Juli war Joachim Gauck im Deutschlandfunk-Interview zu hören. Der Bundespräsident war unterwegs in den baltischen Staaten. Er hat dort viel über die Ängste vor der Großmacht Russland gehört. Es war ihm altbekannt. Er äußerte Verständnis. Er sprach über Gefühle, seine Herkunft. Wenn es um Russland geht, dann wird der alte, leidenschaftliche Gauck sichtbar, der Freund der Freiheit. Einer, der Klartext redet. Die Tonlage war vertraut.

Und wenn es um die USA geht? Ob es ihm gelänge, diese Großmacht zu kritisieren, ohne antiamerikanisch zu klingen? Oder ist er womöglich in einem Pro-Amerikanismus verfangen?

Gauck muss in diesem Fall erst einmal unbequem gegen sich selbst sein. Ein Freund der Freiheit muss deutliche und grundsätzliche Worte finden, wenn es um die Freiheit geht.

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