Streit über Merkels KZ-Besuch
Zur falschen Zeit am richtigen Ort
Angela Merkel besucht das ehemalige KZ Dachau, danach wirbt sie in einem Bierzelt für ihre Wiederwahl. Eine seltsame Abfolge - und gleichzeitig eine Besonderheit: Die Kanzlerin weicht von ihrem Wohlfühlwahlkampf ab.
Eingang des ehemaligen KZ Dachau: Wichtiger Termin für Merkel
Foto: GUENTER SCHIFFMANN/ AFP
Zugegeben, die Kombination ist ungewöhnlich. Die Kanzlerin kommt zum Wahlkampf nach Dachau. Der Termin ist lange geplant. Bevor sie im Bierzelt auftritt, besucht die Kanzlerin das frühere Konzentrationslager am selben Ort.
Das Dachauer KZ war eines der ersten Konzentrationslager in Deutschland, es ist ein Ort, an dem Menschen unvorstellbares Leid erfahren mussten. Das KZ ist ein Symbol für den Nazi-Terror in Deutschland und anderen Teilen Europas, eine Mahn- und Gedenkstätte.
Ein Bierzelt, das ist ein Vergnügungsort, ein Platz für bierselige, freundlich-gemütliche Heiterkeit. Zugleich lässt sich dort auch politische Dumpfheit beobachten. In Bierzelten oder Bierkellern wird vereinfacht, geholzt, gepoltert. Politische Vernunft wird nicht selten vom Alkohol vernebelt.
Dumpfheit, Trauer, Mahnung. Das passt nicht wirklich zusammen. Ist es also richtig, dass Angela Merkel diese beiden Termine miteinander kombiniert? Renate Künast, immer eine der Ersten, wenn es darum geht, Rücktritte zu fordern oder Urteile zu sprechen, hat sich erwartungsgemäß zu Wort gemeldet: "Wer es ernst mit dem Gedenken an einem solchen Ort des Grauens meint, der macht einen solchen Besuch garantiert nicht im Wahlkampf."
Ein KZ ist keine Kranzabwurfstelle
Natürlich hätte sich die Kanzlerin eine bessere Terminabfolge suchen können. Ein KZ ist keine Kranzabwurfstelle, wo man als Politiker mal kurz vorbeischneit, zwischen anderen Terminen. Ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl hätte man bei der Planung erwarten können.
Zugleich ist es aber Unfug, Angela Merkel den nötigen Ernst und die Aufrichtigkeit in der Sache abzusprechen. Sie hat sich stets als einfühlsame Mahnerin gezeigt, wenn es um die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen ging. Sie pflegt ein intensives und gutes Verhältnis zum Zentralrat der Juden, sie tritt energisch für das Existenzrecht des Staates Israel ein.
Sie hat immer die richtigen Worte gefunden, wenn sie in Reden an das Leid der Opfer erinnerte - anders als so mancher ihrer Parteifreunde in der Vergangenheit. Der Besuch im KZ Dachau (vor ihr war noch nie ein Kanzler dort) steht somit in der Kontinuität ihrer glaubhaften Versöhnungspolitik. Es ist ein wichtiger Termin.
Angela Merkel betreibt einen Wohlfühlwahlkampf. Von ihren Strategen werden hübsche Bilder erzeugt, es wird gelächelt und die Lage des Landes für die Wähler in den schönsten Farben ausgemalt. Zu dieser Strategie würde es wohl eher passen, einen großen Bogen um das KZ zu machen.
Dass Angela Merkel trotzdem hingeht, ist die eigentliche Besonderheit dieses Tages.