Kommunalwahlen in Bayern Seehofers Neun-Millionen-Stimmen-Test

Bayerns Ministerpräsident Seehofer: "Der schwärzeste Erdteil Europas"
Foto: LUKAS BARTH/ REUTERSBerlin/München - Dieses Dokument ist ein Monstrum. Stolze 61 mal 144 Zentimeter misst ein Stimmzettel, der in der Landeshauptstadt München zur bayerischen Kommunalwahl auszufüllen ist. In dem Bundesland, das von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) "Vorstufe zum Paradies" genannt wird, ist eben vieles eine Nummer größer: Am Sonntag wird in mehr als 2000 Gemeinden gewählt. 9,3 Millionen Menschen können mitmachen, es geht um fast 40.000 Mandate.
Für Seehofer und seine CSU ist der Kampf um Gemeinderäte, Landräte und Oberbürgermeister eine Bewährungsprobe. Es soll besser laufen als vor sechs Jahren, als die Christsozialen auf 40 Prozent abstürzten. Zwar hat sich die CSU erholt, fuhr zuletzt gute Ergebnisse ein und eroberte die absolute Mehrheit im Land zurück. "Bayern ist wieder der schwärzeste Erdteil Europas", posaunte Seehofer beim Politischen Aschermittwoch.
Doch der Glanz der CSU hat in den vergangenen Wochen Kratzer bekommen, die Euphorie nach dem Erfolgsjahr 2013 ist verflogen:
- Seehofer verwirrt bei der Energiewende, die viele Bürger umtreibt, mit einem Zickzackkurs. Proteste schlagen ihm von Windkraftgegnern, Umweltaktivisten und Wirtschaftsvertretern entgegen. Populistische Schnellschüsse, wie die Forderung nach einer Deckelung der Strompreise oder der Widerstand gegen neue Stromautobahnen, die er zuvor gebilligt hatte, kratzen an seiner Glaubwürdigkeit.
- Ständige Debatten über das Turbo-Abitur und mögliche Stellenkürzungen bei Lehrern sorgten für miese Stimmung. Auch funkte die Affärenserie des Landrats Jakob Kreidl, der sich eine Jubiläumsfeier zum 60. Geburtstag großzügig sponsern ließ, in den Wahlkampf.
- Bundespolitisch kann Seehofer keine großen Leistungen vorweisen. Die CSU-Ministerriege ist nach dem Sturz von Hans-Peter Friedrich geschwächt, Kernprojekte wie die Pkw-Maut müssen erst noch entwickelt werden.
Keine idealen Ausgangsbedingungen für Seehofers Stimmungstest. In den vergangenen Wochen war der Landesfürst im Dauereinsatz, pries die Bedeutung der Kommunen und machte gleichzeitig Stimmung gegen EU-Bürokratie und Zuwanderer. Auch weil Seehofer schon den nächsten Termin im Blick hat. Ende Mai stehen die Europawahlen an, und die CSU hat am rechten Rand Konkurrenz bekommen durch die Alternative für Deutschland (AfD).
Kopf-an-Kopf-Rennen in München
Mit Spannung wird die Wahl in der Landeshauptstadt München erwartet. Der populäre SPD-Oberbürgermeister Christian Ude tritt aus Altersgründen nicht mehr an. Deshalb macht sich die CSU erstmals seit einem Vierteljahrhundert wieder Hoffnungen, eine Wahl in München tatsächlich gewinnen zu können. Im urbanen Raum sind die Christsozialen traditionell schwach, von den drei größten Städten Bayerns hat bisher nur Augsburg einen CSU-Oberbürgermeister.
Für die Christsozialen wäre ein Sieg in München ein Triumph mit hohem Symbolwert. Glaubt man den Umfragen, ist das aber eher unwahrscheinlich. Ob CSU-Herausforderer Josef Schmid oder SPD-Kandidat Dieter Reiter gewinnt, wird man am Sonntagabend wohl nicht erfahren. Denn die Grünen-Kandidatin Sabine Nallinger könnte ein ordentliches Ergebnis einfahren und beiden Herren ein paar Prozentpunkte klauen. Dann würde die endgültige Entscheidung erst zwei Wochen später in einer Stichwahl fallen.
Skurrile Gruppen, endlose Listen
Damit es überhaupt ein Ergebnis gibt, müssen die Wähler im Freistaat aber erst mal den Überblick behalten. Allein für das Amt des Oberbürgermeisters in München bewerben sich zwölf Kandidaten, das sind doppelt so viele wie beim vorherigen Mal. In der Landeshauptstadt sind drei Stimmzettel auszufüllen: für den Stadtrat, die Wahl des Oberbürgermeisters und die Bezirksausschusswahl.
Und noch mehr Verwirrung droht, wie das Beispiel München eindrucksvoll zeigt. Für die Stadtratswahl verfügt jeder Stimmberechtigte über 80 Stimmen, es darf kumuliert und panaschiert werden. 932 Kandidaten aus 14 Gruppierungen stehen zur Wahl, angefangen von der CSU bis hin zur Wählergruppe HUT, die "den Bürgerwillen wieder direkt ins Rathaus" bringen will.
Seehofers Sorge mag auf den Wahlausgang gerichtet sein. Denn sacken die Prozente merklich ab, gehen die Abgesänge auf seine Person und die Nachfolge-Spekulationen von vorne los.
Die größte Sorge seiner Bürger ist wohl eine andere: Wie will man den XXL-Wahlzettel in den engen Wahlkabinen ausbreiten und ausfüllen, ohne dass der Nachbar sieht, wo man seine Kreuze gesetzt hat?