Kommunalwahlen Rechtsextreme schaffen Sprung in Stadträte
Hamburg - Im sächsischen Parthenstein entschied der Zufall über den Triumph eines Rechtsradikalen. Zwei Bewerber - einer von der NPD, der andere Sozialdemokrat - erreichten bei der Kommunalwahl die gleiche Stimmenanzahl, allerdings war nur noch ein Sitz im Gemeinderat frei. Also wurde der Platz verlost. Der NPD-Kandidat gewann.
Auf Glück mussten sich die Neonazis bei den jüngsten Kommunalwahlen vielerorts nicht verlassen. Die Rechtsextremen verbuchten in mehreren Bundesländern Erfolge - zwar auf verhältnismäßig niedrigem Niveau, dennoch stabiler als gedacht.
- In Thüringen zieht die NPD voraussichtlich in allen Wahlkreisen, in denen sie angetreten war, in die Parlamente ein. Landesweit kommt die Partei auf 3,1 Prozent der Stimmen . Kurz vor Auszählung aller Stimmen erreichte die NPD insgesamt 21 Sitze. Bei den vergangenen Kommunalwahlen waren die Rechten noch leer ausgegangen.
- Auch in Sachsen sind die Gemeinden ausgezählt, die NPD steht dort bei 2,3 Prozent . Das entspricht mindestens 73 Sitzen in den Gemeinden. Damit hat die NPD ihre Mandate gegenüber den Kommunalwahlen 2004 fast verdreifacht - allerdings war sie dieses Mal auch mit deutlich mehr Kandidaten in den Wahlkampf gezogen. Im sächsischen Landtag sitzt die NPD seit 2004.
- In Mecklenburg-Vorpommern gewinnt die NPD im Vergleich zur Kommunalwahl 2004 klar dazu und steigert sich von 0,8 auf 3,2 Prozent . Landesweit werden die Rechten nun 26 Mandate auf kommunaler Ebene besetzen. Damit zieht die Partei in die meisten Kreistage und Bürgerschaften in Mecklenburg-Vorpommern ein. Allerdings verlieren die Braunen im Vergleich zur Landtagswahl 2006 deutlich: Damals wählten über sieben Prozent der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern rechts, die NPD zog erstmals in den Schweriner Landtag ein.
- In Sachsen-Anhalt sind die Auszählungen noch nicht abgeschlossen. Vorläufigen Ergebnissen zufolge verlor die NPD in ihren bisherigen Hochburgen, dafür ist die Partei nun aber in viermal so vielen Kommunalparlamenten vertreten.
- Im Saarland zieht die NPD in die Stadtparlamente von Saarbrücken und Völklingen ein. In Saarbücken gewann die Partei 1,9 Prozent der Wählerstimmen, in Völklingen 4,6 Prozent. Im Vergleich zur Kommunalwahl 2007 verlor die NPD insgesamt jedoch mit 0,6 Prozentpunkten rund die Hälfte ihres Stimmenanteils.
- In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bleiben die Kommunen und Städte nahezu NPD-frei - in Trier schafften die Braunen mit einem Sitz den Einzug ins Stadtparlament.
Auch wenn die NPD an die teilweise spektakulären Erfolge bei den Landtagswahlen 2006 nicht anknüpfte: Die Kommunalwahl 2009 ist ein Signal dafür, dass sich die NPD zumindest im Osten Deutschlands flächendeckend festsetzt.
Offenbar ist es der NPD gelungen, eine Stammwählerklientel herauszubilden und diese auch zu aktivieren. "Da wo die Parteien schon stark waren, haben sie sich gehalten", sagt der Rostocker Politikwissenschaftler Steffen Schoon. Das gilt auch für die Rechten.
Trotz zahlreicher Skandale der Bundespartei konnten die Rechtsextremen neue Bewerber aus den Kameradschaften für ihre politische Arbeit rekrutieren - dafür spricht die deutlich erhöhte Zahl der Kandidaten bei dieser Wahl. So waren in Sachsen die Rechtsradikalen mit mehr als 300 Bewerbern ins Rennen gegangen, viermal so viel wie 2004.
Auf Anhieb im zweistelligen Bereich
Das mecklenburgische Bargischow galt 2006 mit einem Stimmenanteil von knapp 32 Prozent als NPD-Wählerhochburg. Jetzt holte die NPD dort noch 21,4 Prozent der Stimmen. Ähnlich in Postlow in Ostvorpommern: Hier hatte die NPD 2006 ihr deutschlandweites Rekordergebnis von 38 Prozent eingefahren, bei der aktuellen Kommunalwahl kommt sie immerhin noch auf gut 17 Prozent.
In Lübtheen stimmten zwölf Prozent der Wähler für die Rechtsextremen. Hier hatte sich die Partei zum ersten Mal für eine Stadtvertreterwahl aufstellen lassen. In der Kleinstadt hatte unter anderem die Ehefrau des dort wohnenden Fraktionsvorsitzenden der NPD im Landtag, Udo Pastörs, kandidiert. In Kommunen wie Ueckermünde und Löcknitz sind die Rechtsextremen mit etwa 13 Prozent sogar drittstärkste Kraft geworden - jeweils vor der SPD.
Auch in Thüringen und Sachsen holte die NPD mehrfach Ergebnisse im zweistelligen Bereich. Im thüringischen Urnshausen erhielten die Rechten 19,1 Prozent. Im sächsischen Reinhardtsdorf-Schöna reichte es für 22 Prozent - vor fünf Jahren waren es dort sogar 25 Prozent. Die NPD-Hochburg Sebnitz in der Sächsischen Schweiz blieb mit 13,1 Prozent in etwa auf dem Stand von 2004.
Die "rechte Invasion" und "Schockwerte" in einzelnen Gemeinden blieben entgegen weit verbreiteter Befürchtungen aus. Doch die vielen Mandate auf kommunaler Ebene helfen der Partei, sich "in der Fläche zu verankern", so die Einschätzung des "Netzwerks für Demokratische Kultur" (NdK). Dort, wo die NPD seit Jahren erfolgreich antrete, könne man jetzt sicherlich nicht mehr von Protestwählern sprechen. In diesen Orten gebe es "ganz offensichtlich eine ideologisch gefestigte rechte Wählerschaft."
NPD profitiert von neuer Wahlregelung
Und die Rechten finden sich längst nicht mehr nur in der Provinz. Wie erwartet hat eine Änderung im Wahlgesetz der NPD den Weg in die Städte geebnet: In allen sieben Bundesländern, die am Sonntag wählten, wurde erstmals ohne sogenannte Fünf-Prozent-Hürde abgestimmt. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2008 entschieden, dass die Klausel kleinere Parteien diskriminiere.
In den thüringischen Städten Gera und Eisenach sitzen deshalb künftig zwei NPD-Mitglieder im Stadtparlament, in Weimar hat es einer geschafft. Auch in Erfurt hat die NPD ein Mandat bekommen. In Dresden, Chemnitz und Leipzig, wo die NPD erstmals antrat, erreichte die Partei mit Stimmanteilen zwischen 2,4 und 3,7 Prozent zusammen fünf Mandate.
Ähnlich die Situation in Sachsen-Anhalt: In Halle, Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg, Sangerhausen, Zeitz, Köthen oder Bad Kösen eroberte die Partei je einen Sitz im Stadtrat. Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist die NPD jetzt erstmals in den Stadträten von Schwerin und Stralsund, Rostock und Neubrandenburg vertreten.
Trotzdem könne von einem Triumph der Rechten keine Rede sein, ist die einhellige Meinung der Experten. Auch wenn die Rechtsextremen in zahlreiche Stadt- und Gemeindeparlamente einzogen, konnten sie in keinem Bundesland deutlich mehr als drei Prozent erreichen. Bei einer Landtagswahl wäre die NPD daher vermutlich gescheitert.
Außerdem sind die Rechtsextremen in den Städten mit nur einem oder zwei Sitzen vertreten. Für einen Fraktionsstatus, verbunden mit Ämtern, Einfluss und öffentlichen Geldern, reicht das kaum.