Kommunikation der Kanzlerin Bürgerdialog empört die SPD

Angela Merkel diskutiert mit Bürgern, in einem Town-Hall-Meeting nach US-Vorbild und im Internet. Die SPD übt nun harsche Kritik an dem Austausch mit der Bevölkerung. Die Sozialdemokraten wittern versteckten Wahlkampf und die Verschwendung von Steuergeldern.
Kanzlerin Merkel am Kabinettstisch: Unmut bei der Opposition über "PR-Formate"

Kanzlerin Merkel am Kabinettstisch: Unmut bei der Opposition über "PR-Formate"

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Berlin - Am Mittwochabend will Kanzlerin Angela Merkel in Erfurt sich den Fragen von 100 ausgewählten Bürgern stellen. Im feinen Kaisersaal soll es um große gesellschaftliche Themen gehen. "Wie wollen wir zusammen leben?", lautet die zentrale Fragestellung der Kanzlerin.

Die Opposition hat ganz andere Fragen, vor allem die SPD. Sie wirft Merkel vor, mit ihrem Bürger-Dialog im Internet Steuergelder für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen. Wobei der Erfurter Treff im sogenannten Townhall-Format Teil dieses Bürger-Dialogs ist, den die Kanzlerin Anfang Februar im Internet gestartet hat.

"Frau Merkel eröffnet den Wahlkampf 2013 schon jetzt - und setzt dafür auch noch mehr als 1,5 Millionen Euro an Steuergeldern ein", kritisiert der SPD-Chefhaushälter Carsten Schneider. Bei den Kosten seien die Ausgaben für Mitarbeiter "in mindestens drei Referaten im Kanzleramt und Bundespresseamt" noch nicht eingerechnet. Auch sie seien "zumindest teilweise mit der Umsetzung und Betreuung dieser PR-Formate beschäftigt", rechnet Schneider vor.

Vor allem aber kritisiert die SPD, dass die Leistungen "teilweise noch nicht einmal ausgeschrieben, sondern freihändig vergeben" wurden. Das geht aus einer Antwort des Kanzleramts auf entsprechende Fragen Schneiders hervor. Allerdings, so argumentieren Merkels Leute, seien in dem freihändigen Vergabeverfahren "jeweils drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert worden." Zudem waren die Einzelbeträge auch eher gering. So wurden für Konzeption und Moderation eines Experten-Workshops beispielsweise 24.573 Euro in Rechnung gestellt. Rechtlich ist eine formelle Ausschreibung daher nicht zwingend.

SPD kritisiert Wildwuchs bei Expertenforen

Schneider beruhigen solche Argumente nicht. Aus Sicht des SPD-Haushälters ist Merkels Dialog-Plattform ein besonders krasses Beispiel im Wildwuchs von inzwischen insgesamt 79 Bürger- und Expertenforen, die sich die Bundesregierung leiste. Es sei völlig unklar, wie deren Ergebnisse Eingang in die aktuelle Politik finden. Als Beispiel verweist Schneider auf das Bundeswirtschaftsministerium. In einer Übersicht, die der SPD-Politiker von der Regierung angefordert hat, antworten die Zuständigen dort auf die Frage, wie mit den Ergebnissen der Internetforen umgegangen wird: "Der Austausch mit Bürgern und Experten fließt in den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess des Bundeswirtschaftsministeriums mit ein."

Insbesondere der von Merkel initiierte Bürger-Dialog (www.dialog-ueber-deutschland.de) erweist sich aus Sicht der SPD als teurer Fehlschlag. "Ein kurzer Blick auf die Internetseite genügt, um zu sehen, dass Islamkritiker und Waffennarren dort das Sagen haben", sagt Schneider. In einem internen Papier des Kanzleramtes werden die Kosten von Internetdialog und Veranstaltungen mit über 1,5 Millionen Euro aus dem Etat des Bundespresseamtes veranschlagt. Beliebtester Vorschlag auf der Website ist bislang ein Vorstoß für eine "offene Diskussion über den Islam", gefolgt von der Forderung, den Genuss von Cannabis für Erwachsene zu legalisieren.

Es wird interessant sein zu hören, was Merkel heute Abend in Erfurt dazu zu sagen hat. Obwohl: die Kanzlerin weiß längst, dass man einiges an Zumutungen hinnehmen muss, wenn man die Netzgemeinde umgarnt - spätestens seitdem sie im vergangenen Herbst ein Interview auf YouTube gab, dessen Fragen die Nutzer bestimmen konnten.

Trotz der Euro-Krise trieb die Internet-Community vor allem eines um: Wie hält es die Kanzlerin mit der Legalisierung von Hasch? Merkel nahm es locker. "Es gibt immerhin zwei Millionen Menschen, die Cannabis konsumieren", sagte sie. "Und das sind meiner Meinung nach schon viel zu viele."

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