Kompromiss im Steuerstreit Merkels Koalition lockt Länderchefs mit Geld

Mehrere Bundesländer rebellieren gegen die geplanten Steuersenkungen - jetzt lenkt Schwarz-Gelb ein. Laut "Süddeutscher Zeitung" will die Koalition sich die Zustimmung erkaufen: Länder und Kommunen sollen Mittel aus den Konjunkturpaketen einfacher abrufen können.
Kanzlerin Merkel: Applaus aus den Ländern für Carstensens Widerstand

Kanzlerin Merkel: Applaus aus den Ländern für Carstensens Widerstand

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ REUTERS

Berlin - Die Bundesregierung will sich die Zustimmung der Länder zu den geplanten Steuersenkungen nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" mit finanziellen Zugeständnissen an anderer Stelle erkaufen. Wie die Zeitung unter Berufung auf Verhandlungskreise berichtet, sollen Länder und Kommunen Mittel aus den beiden Konjunkturpaketen des Bundes abrufen können, deren Vergabe bisher an die Einhaltung strikter Kriterien geknüpft war. Eine Neuverteilung der Mehrwertsteuereinnahmen wie in früheren Streitfällen lehne Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dagegen ab.

Konkret wird dem Bericht zufolge darüber diskutiert, das sogenannte "Zusätzlichkeitskriterium" bei der Vergabe von Mitteln aus den Konjunkturprogrammen zu lockern. Es besagt, dass nur neu aufgelegte Bau- oder Modernisierungsvorhaben aus den Hilfstöpfen bezahlt werden dürfen. Damit sollte verhindert werden, dass die Länder und Gemeinden bereits laufende Projekte statt mit eigenem Geld mit Bundesmitteln weiterbezahlen.

Insgesamt werden die Steuerentlastungen den Staat von 2010 an pro Jahr 8,5 Milliarden Euro kosten. 3,9 Milliarden davon entfallen auf Länder und Kommunen. Die SPD-geführten Landesregierungen sind gegen das Vorhaben, mehrere CDU-Länderchefs verlangen zumindest einen Ausgleich. Besonders Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hatte sich quergestellt.

Aus den Ländern verlautete der Zeitung zufolge, Carstensens Widerstand werde in den anderen Bundesländern mit großer Sympathie beobachtet. Auch die "Berliner Zeitung" berichtete, Carstensen erhalte Unterstützung aus der SPD-regierten Landeshauptstadt Kiel. Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) sagte demnach, die Kommunen könnten die Steuersenkungen nicht schultern. "Wir wissen nicht, wie wir unsere Kindergärten und Schulen in Stand setzen können, und da sollen gegen jede Vernunft unbezahlbare Steuergeschenke gemacht werden", kritisierte Albig.

Eindeutige Unterstützung erhielt Merkel nur aus Bayern und Nordrhein-Westfalen, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte der Zeitung, wenn der Staat jetzt nicht in Wachstum investiere, werde die Arbeitslosigkeit steigen.

Die Spitzenpolitiker von Schwarz-Gelb kommen an diesem Dienstag im Kanzleramt zur ersten Sitzung des Koalitionsausschusses zusammen. Der Streit mit den Bundesländern dürfte dabei eine zentrale Rolle spielen. Eine Lösung werde es wohl noch nicht geben, hieß es vorab aus den Parteien. Vielmehr gehe es darum, das Verfahren zur Klärung zu erörtern. Der Bundesrat entscheidet am 18. Dezember abschließend über das höhere Kindergeld und über die Steuerentlastungen für Familien, Erben und Unternehmen.

FDP-Bundestagsfraktionschefin Birgit Homburger mahnte Union und Liberale zu mehr Geschlossenheit. Sie sagte der "Saarbrücker Zeitung", in der Koalition gebe es "den einen oder anderen, der immer wieder Vereinbarungen in Frage stellt oder den Koalitionsvertrag in seinem Sinne interpretiert. Das muss aufhören."

Was strittig sei, müsse künftig intern geklärt werden, so Homburger. "Bei der Union hat es eine Reihe von nicht hilfreichen Stimmen gegeben, aber auch bei uns." Was die Außenwirkung angehe, müsse die Koalition besser werden. Auf die Frage, ob das schwarz-gelbe Bündnis seinen Start vermasselt habe, antwortete Homburger: "Von Vermasseln kann keine Rede sein." Es sei legitim, dass jede Seite darauf hinweist, was sie im Koalitionsvertrag durchgesetzt hat.

Bei der Anhörung im Bundestagsfinanzausschuss zu dem vor allem auf CSU-Wunsch betriebenen Mehrwertsteuerprivileg für das Hotelgewerbe hätten 15 von 16 geladenen Experten "diesen Unsinn zerpflückt, wie ich das noch nie im Fall einer Regierungsvorlage erlebt habe" - das sagte das CDU-Mitglied in dem Ausschuss, Manfred Kolbe, der "Leipziger Volkszeitung". Die "einzig logische Konsequenz" sieht der CDU-Politiker darin, "dass die Koalition den Plan fallen lässt". Sonst gerate mit diesem Einzelpunkt das gesamte Wachstumsbeschleunigungsgesetz ins Abseits.

ffr/ddp/AFP/dpa
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