Rüffel des Europarats Deutschland verhindert Kampf gegen Korruption

Die Bundesregierung kämpft nur unzureichend gegen Bestechlichkeit - das monieren die Korruptionswächter des Europarats. In einem Bericht klagen sie, dass seit 2009 fast nichts unternommen wurde. Damals hatten die Experten 20 Missstände aufgelistet, nur in vier Punkten hat sich etwas geändert.

Berlin - Die Mängelliste aus Straßburg umfasst 17 Seiten und lässt kaum ein gutes Haar an der Bundesregierung: In Sachen Korruptionsbekämpfung und Parteienfinanzierung hinkt Deutschland seinen Partnern in Europa hinterher, lediglich vier von 20 Empfehlungen der letzten Evaluierungsrunde seien "umgesetzt" oder wenigstens "zufriedenstellend abgearbeitet" worden. So steht es in einem "Umsetzungsbericht" der "Staatengruppe gegen Korruption" (Greco) des Europarats. 1999 wurde die Greco von europäischen Ländern, darunter Deutschland, ins Leben gerufen. Sie soll 49 Mitgliedstaaten bei ihrem Kampf gegen Bestechung und Misswirtschaft unterstützen.

Im ersten Teil des Berichts bemängelt die Greco erneut die mangelnde Bereitschaft Deutschlands, das Strafrechtsübereinkommen über Korruption zu ratifizieren. Es sieht eine strenge Bestrafung von Abgeordnetenbestechung vor. Deutschland hat das Übereinkommen bereits im Jahr 1999 und das Zusatzprotokoll im Jahr 2003 unterzeichnet, seitdem drücken sich jedoch alle Regierungskoalitionen beharrlich um eine Ratifikation.

Nach der vorigen Evaluierungsrunde im Dezember 2009 war die Greco zu dem Schluss gekommen, dass Abgeordnete und andere Amtsträger den deutschen Regelungen zur Korruptionsbekämpfung nur in "eingeschränkter Form unterliegen". Weiter hieß es damals: "Dies könnte in der breiten Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dass für Teilbereiche der deutschen Gesellschaft nicht dieselben Regeln gelten wie für den Rest der Bevölkerung."

Zwei Jahre lang hatte die Bundesregierung Zeit, eine Liste von zehn Punkten abzuarbeiten. Die Empfehlungen sahen unter anderem vor, den Paragrafen 108e des Strafgesetzbuchs ("Abgeordnetenbestechung") schärfer zu fassen. Doch geschehen ist seitdem fast nichts. Im Sommer befasste sich der Innenausschuss des Bundestags mit dem Thema , nahm die Vorwürfe von Greco allerdings nur zur Kenntnis.

Greco stellt der Bundesregierung kein gutes Zeugnis aus

Auf die Empfehlungen zur Problematik der Bestechung von Abgeordneten und Amtsträgern hat die Bundesrepublik nun gar nicht reagiert. Im aktuellen Bericht erklären die deutschen Behörden, die Übereinkunft befinde sich noch in der "Vorbereitungsphase", zuerst müssten die nötigen Bestimmungen im Strafgesetzbuch geändert werden.

Dafür hatte Deutschland allerdings seit der Unterzeichnung des Abkommens im Jahr 1999 Zeit. Greco "bedauert sehr", dass Deutschland als Greco-Gründungsmitglied nun "eines der wenigen Greco-Mitglieder" sei, das noch nicht ratifiziert hätte. Insgesamt 43 Länder haben das Strafrechtsübereinkommen bereits ratifiziert, außer Deutschland weigern sich von den Mitgliedstaaten des Europarats nur noch San Marino, Österreich, Liechtenstein und Italien.

Auch zum zweiten Teil des Evaluierungsberichts, der sich mit dem heiklen Thema Parteienfinanzierung befasst, stellt die Greco der Bundesrepublik kein gutes Zeugnis aus. Zwar seien Ansätze für eine Besserung erkennbar geworden, doch stehe es mit der Transparenz noch längst nicht zum Besten: So äußert der Europarat "große Bedenken", dass in Deutschland noch immer kein System eingeführt wurde, dass eine "frühzeitige Veröffentlichung von Rechenschaftsberichten zu Wahlkämpfen" oder mehr Transparenz bei "direkten Spenden an Abgeordnete und Wahlkandidaten" von Parteien gewährleistet.

Ebenso schlecht sieht es bei dem Thema Polit-Sponsoring aus. Greco hatte Deutschland im Dezember 2009 aufgefordert, die finanzielle Unterstützung für Parteien oder Regierungen etwa bei Sommerfesten transparenter zu gestalten. In dem aktuellen Bericht verweist die Bundesrepublik nun lediglich auf eine Experten-Anhörung im Innenausschuss des Bundestages im Juni 2010. Bei der Sitzung sei der Vorschlag diskutiert worden, die Einnahmen durch Sponsoring getrennt auszuweisen. Am Ende kamen die deutschen Parlamentarier jedoch zu dem Ergebnis, dass das "Steuerrecht und das Parteiengesetz bereits einen ausreichend eindeutigen rechtlichen Rahmen bilden".

Der Innenausschuss des Bundestages sieht auch keinen Anlass, die Schwelle für die unverzügliche Anzeige von Großspenden zu senken. Bislang müssen Parteien erst Spenden ab 50.000 Euro unverzüglich der Bundestagsverwaltung melden. Greco hat die Bundesrepublik im Dezember 2009 aufgefordert, diesen Grenzwert zu senken. Das sieht man im Innenausschuss des Bundestages anders. In einer Stellungnahme teilten die Parlamentarier der Greco mit, die Grenze dürfe nicht so niedrig sein, "dass sie zu einem übermäßigen Datenaufkommen" führe.

Wegen der Nachlässigkeit Deutschlands hat die Greco nun beschlossen, "Regel 32" der Geschäftsordnung anzuwenden. Sie betrifft Mitglieder, "bei denen die Nichtumsetzung der im Evaluierungsbericht enthaltenen Empfehlungen festgestellt wird". Nun muss die Bundesregierung bis spätestens zum 30. Juni 2012 einen Bericht vorlegen. "Es ist blamabel, dass Deutschland die Gelbe Karte gezeigt werden muss. Es wird fast unmöglich sein, bis Ende Juni die ausstehenden Empfehlungen noch umzusetzen", sagt Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency International Deutschland. Sollte sich Deutschland auch in den kommenden Jahren weigern, die Empfehlungen umzusetzen, wird der Fall irgendwann vor den Satzungausschuss der Greco gebracht.

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