Saarland Bauaffäre verhagelt Ministerpräsidentin Wahlkampf-Endspurt

Saar-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer (CDU): Mit Zahlen konfrontiert
Foto: Fredrik von Erichsen/ dpaBerlin - Eigentlich musste sich Annegret Kramp-Karrenbauer bis vor kurzem keine Sorgen machen. Der Bruch der Jamaika-Koalition, den sie ausgerechnet am Tag des Dreikönigs-Treffen der FDP im Januar verkündete, hatte der saarländischen Ministerpräsidentin wenig anhaben können. Die Umfragen sahen lange für die Landtagswahl am 25. März ein Kopf-an-Kopf-Rennen ihrer CDU mit der SPD voraus.
Doch jüngst landete die SPD in einer Forsa-Umfrage erstmals vor den Christdemokraten. Nun könnte es sehr eng werden. Denn die Ministerpräsidentin begleiten Vorwürfe durch den kurzen Wahlkampf, die aus Zeit stammen, als sie noch Kultusministerin war. Ein Amt, das sie von 2007 bis 2009 bekleidete.
Es geht um einen Museumsanbau in Saarbrücken, der zum Symbol für Fehlplanungen wurde, für große landespolitische Ambitionen - und am Ende für explodierende Kosten. Mittlerweile werden für den Bau über 30 Millionen Euro veranschlagt; von weniger als der Hälfte war einst unter Kramp-Karrenbauer offiziell ausgegangen worden.
Nun musste die Ministerpräsidentin im Untersuchungsausschuss des Landtags Rede und Antwort stehen. Ein unangenehmer Gang, den die Opposition, vor allem ihre früheren Koalitionspartner von den Grünen und der FDP, für bohrende Fragen nutzten - diese hatte die Chrisdemokratin mit dem Bruch der Jamaika-Koalition vor den Kopf gestoßen. Ausgerechnet dieser Museumsanbau könnte der CDU-Politikerin nun die notwendigen Prozente kosten und damit das Amt in der Staatskanzlei. Die SPD ist kämpferisch gestimmt - die Bürger sollten ihr die "rote Karte" zeigen, sagte Generalsekretär Reinhold Jost nach der Ausschusssitzung.
Derzeit herrscht beim Museum Baustopp. Einst hatte die CDU-Alleinregierung unter Ministerpräsidenten Peter Müller beschlossen, für die Moderne Galerie des Saarlandmuseums einen vierten Pavillon bauen zu lassen. Kramp-Karrenbauers Vorgänger im Kultusministerium Jürgen Schreier (CDU) setzte sich für das Projekt vehement ein; als sie das Amt vor fünf Jahren von ihm übernahm, wurde der Plan tatkräftig weiter verfolgt. Am 23. Juli 2009, rund zwei Wochen vor dem Spatenstich, gab sie als Ministerin und als Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz eine Pressekonferenz, auf der sie die Kosten bezifferte: 14,5 Millionen Euro.
Andere Zahlen in Unterlagen und Mails
Dieser Vorgang kratzt jetzt an ihrem Image als Landesmutter. Denn Dokumente aus der Vergangenheit zeigen, dass die von Kramp-Karrenbauer offiziell verkündeten Kosten schon zum damaligen Zeitpunkt intern anders berechnet wurden - nämlich weitaus höher. In ihren Funktionen als Ministerin und als Kuratorin war sie für Finanzierung und Kontrolle des Baus zuständig. Eine Vorlage für den saarländischen Ministerrat, der die Unterschrift Kramp-Karrenbauers trägt und vom 23. Juli 2009 datiert, nennt zwar die Summe von 14,5 Millionen Euro als "Gesamtbaukosten und Baunebenkosten". Doch durch "zusätzliche Erschließungskosten", die "Einbeziehung von Außenanlagen des Saarlandmuseums", die "Gestaltung" der Kulturmeile "sowie die Ausstattung des Erweiterungsbaus" sowie der Sanierung der Modernen Galerie, heißt es dort weiter, "ergeben sich Gesamtkosten in Höhe von 20,1 Millionen Euro."
Kramp-Karrenbauer verteidigt sich heute damit, sie habe auf der damaligen Pressekonferenz alle anderen Kostenfaktoren "benannt, aber nicht beziffert". Es ist eine von vielen Widersprüchlichkeiten, mit dem das Projekt in ihrer Amtszeit begleitet wurde.
So fand sich im Anhang einer internen Mail vom 22. Juli 2009, die der damalige Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, Ralph Melcher, an das Kultusministerium schickte, ebenfalls die Summe von 20,1 Millionen Euro. Melcher schrieb in derselben Mail, genau einen Tag vor der Pressekonferenz Kramp-Karrenbauers, auf der sie die Summe von 14,5 Millionen nannte, den Satz: "Inwieweit diese Daten veröffentlicht werden sollen bzw. bis in welches Detail dies geschehen soll, wäre noch abzuklären."
Eine weitere Merkwürdigkeit taucht in einem anderen Dokument auf, das SPIEGEL ONLINE ebenfalls vorliegt. In einem Vermerk des Geschäftsführers der Stiftung, Jürgen Lang, heißt es handschriftlich auf der Rückseite einer Vorlage zu den - deutlich geringer angesetzten - Kostenschätzungen: "Auf Wunsch nicht berücksichtigt werden Wettbewerbskosten, Bauherrenkosten". In einem privaten Schreiben hat der inzwischen gekündigte Museumsdirektor Melcher versichert, dies sei auch auf Wunsch von Kramp-Karrenbauer geschehen. Die Ministerpräsidentin erklärte allerdings, sie habe keine entsprechende Anweisung gegeben.
Lang wiederum hat dieser Tage erklärt er habe das Gefühl gehabt, "es wurden absichtlich falsche Zahlen kommuniziert". Schon Kramp-Karrenbauers Vorgänger Schreier habe ihn gebeten, bestimmte Posten bei den Gesamtkosten nicht aufzuführen.
Der Museumsanbau hat bereits erste Opfer gefordert. Ex-Direkor Melcher wurde jüngst wegen Untreue und Vorteilsannahme zu einer Bewährungstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgehalten, häufig auf Kosten der Steuerzahler in Gourmetrestaurants gespeist und Schmiergeld vom Projektsteuerer für den Ausbau Museums angenommen zu haben. Melcher hatte die Einladungen zu teuren Essen eingeräumt, bestritt aber, Schmiergeld angenommen zu haben.
CDU-Politikerin gibt Fehler zu
Der Umgang beim Neubauprojekt verfolgte Kramp-Karrenbauer seit Monaten. So wird im Bericht des saarländischen Landesrechnungshofs festgestellt, es sei "unverständlich", warum die Staatskanzlei noch 2011 Angaben über die Kosten machte, "die nicht dem aktuellen Stand entsprachen." Als der Präsident des Landesrechnungshofs, Manfred Plaetrich, kürzlich im Untersuchungsausschuss befragt wurde, sprach er deutliche Worte: Da das Kuratorium Stiftung Saarländischer Kulturbesitz alle weiteren Kosten bewilligt habe, sei "hinreichend Anlass geboten", Regressforderungen gegen deren Mitglieder zu prüfen. Indirekt nannte er damit auch Kramp-Karrenbauer - einst Vorsitzende des Gremiums.
Die Gescholtene gibt sich auf dem Schlussspurt vor der Wahl nun reumütig. Dass sie einst nicht alle Kosten genannt habe, sei "ein Fehler" gewesen, räumte sie ein. "Das würde ich", so Kramp-Karrenbauer, "heute nicht mehr so machen."