Kramp-Karrenbauers Prestigeprojekt Bahn und Bundeswehr streiten über Freifahrten für Soldaten

Bundeswehrsoldat am Bahnhof: Nur noch Billigstrecken?
Foto: imago imagesAls Annegret Kramp-Karrenbauer Ende Juli als Verteidigungsministerin vereidigt wurde, war ihr ein Punkt besonders wichtig: Die Bundeswehr, führte sie vor dem extra für den Festakt aus der Sommerpause zurückbeorderten Bundestag aus, müsse in der Gesellschaft wieder sichtbarer werden.
Gleich danach skizzierte die neue Befehlshaberin ihre Pläne. So rasch wie möglich solle mit der Bahn vereinbart werden, dass alle Soldaten in Uniform umsonst vom Dienstort zu ihren Wohnorten fahren dürften und so mehr Präsenz zeigten. Geplant war damals, dass die Freifahrten schon Anfang 2020 starten könnten.
Freifahrten nur auf billigen Strecken
Ausgerechnet beim Prestigeprojekt für ihre Soldaten aber droht Kramp-Karrenbauer eine peinliche Schlappe. Wie der SPIEGEL aus Bahn-Kreisen erfuhr, sind die Gespräche mit der Bundeswehr ins Stocken gekommen. Mittlerweile erscheint damit nicht nur der Startschuss Anfang 2020, sondern das ganze Projekt gefährdet.
Hauptknackpunkt sind die Buchungskonditionen für die Bundeswehr. So will die Bahn Soldaten nur in nicht besonders ausgelasteten Zügen transportieren, für die sie normalen Kunden die stark rabattierten Sparpreis-Tickets anbietet. Außerdem müsste ein eigenes Bundeswehr-Buchungssystem programmiert werden, was Jahre dauern und noch mal 26 Millionen Euro kosten würde.
Der Streit ums Geld war schon kurz vor der Regierungserklärung der Ministerin eskaliert. So rechnete die Bahn vor, dass für geschätzte 400.000 bis 800.000 Freifahrten von Soldaten pro Jahr ein Budget von rund 38 Millionen Euro nötig wäre. Die Bundeswehr-Gesandten waren konsterniert, sie waren mit knapp 20 Millionen von der Hälfte ausgegangen.
Zudem wies die Bahn plötzlich darauf hin, dass die Soldaten nach einem Deal nur Fernverkehrszüge wie den ICE nutzen könnten, aber keine Regionalverbindungen. Denn diese sogenannten roten Züge würden oft durch private Dienstleister oder von regionalen Tarifverbünden bedient, die das Projekt aber grundsätzlich ablehnten.
Kramp-Karrenbauer unter Druck
Für das Ministerium sind die strengen Limitierungen nicht akzeptabel. Gerade bei den Heimfahrten vor und nach dem Wochenende könnten die Soldaten nicht auf den stark frequentierten ICE-Fernstrecken fahren, da es für diese kaum günstige Sparpreis-Plätze gibt. Viele Standorte liegen auch gar nicht an den Fernstrecken der Bahn, ohne Regionalzüge kämen die Soldaten schlicht nicht nach Hause.
Außerdem müsste man für die Zeit, bis das eigene programmierte Buchungssystem läuft, mit viel Bürokratie elektronische Gutscheine, sogenannte E-Token, ausstellen. Alles in allem wäre das ganze Projekt damit wenig attraktiv. Auch das Ziel, mehr Präsenz zu zeigen, wäre wegen der Einschränkungen kaum erreichbar.
Die Ministerin steht nun unter Druck. Offenbar leichtfertig hat sie das Projekt, das ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen seit dem Frühsommer nur auf Sparflamme betrieben hatte, per Regierungserklärung zu ihrer ersten Mission für die Truppe gemacht. Ein Scheitern würde nicht nur in der Bundeswehr allein ihr angekreidet werden.
Bahn will "übervolle Züge" verhindern
Doch die Zeit für einen Deal mit der Bahn ist denkbar knapp. Das entsprechende Startbudget für die Operation Freifahrten müsste noch bis Oktober im Haushalt für 2020 vermerkt werden. Ob das Finanzressort das Vorhaben nach den Kostensteigerungen und den vielen offenen Fragen überhaupt genehmigen würde, steht in den Sternen.
Von der Bahn heißt es zu den Streitigkeiten nur, man wolle durchaus einen Deal schließen. Eine weitere Belastung auf stark genutzten Strecken sei jedoch für das Unternehmen nicht hinnehmbar. Im Interesse der zahlenden Kundschaft müssten "übervolle Züge verhindert werden", heißt es dazu in einem internen Bahn-Papier.
Besonders ärgerlich für die neue Ministerin: Ursprünglich hatte nicht das Wehrressort, sondern die CSU das Thema Freifahrten für Soldaten aufgebracht. Kurz vor der Landtagswahl in Bayern machte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt das Projekt ziemlich überraschend öffentlich, auf Facebook bezeichnete er die Idee schon als "ausgemachte Sache".
Folglich wandte sich das Wehrressort nach den ersten Streitigkeiten mit der Bahn kürzlich an Dobrindt und seinen CSU-Parteifreund Andreas Scheuer und bat um Schützenhilfe des Verkehrsministers. Bisher aber zeigen beide CSU-Politiker kein Interesse, bei der Bahn zu intervenieren.
Das Ministerium von Kramp-Karrenbauer wollte sich nicht zu den Streitigkeiten mit der Bahn äußern. Die Ministerin habe sich zu dem Thema in der Regierungserklärung geäußert, mehr gebe es momentan nicht zu sagen, hieß es am Freitag auf eine entsprechende SPIEGEL-Anfrage.