Kramp-Karrenbauers CO2-Problem Es soll nur ein bisschen weh tun

CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer
Foto: Sven Braun/ DPAAm Montag haben Uno-Experten einen dramatischen Befund vorgelegt: Die vom Menschen verursachte Erderhitzung könnte etwa fünf Prozent der Arten auslöschen, wenn die globale Temperatur um zwei Grad Celsius steigt, heißt es im aktuellen Bericht, 99 Prozent der weltweiten Korallenriffe würden dann mit großer Wahrscheinlichkeit absterben.
Gerade für die Unionsparteien, denen die Bewahrung der Schöpfung durch das C im Namen in den politischen Genen steckt, ist das ein weiterer Alarmruf: Sie müssten demnach alles dafür tun, um den CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren. Aber CDU und CSU müssen als Volksparteien eben auch immer das große Ganze im Auge haben, insbesondere wenn man mit Angela Merkel die Kanzlerin stellt. Also stehen beispielsweise dem Klimaschutz auch immer die Interessen der Wirtschaft gegenüber.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer steht an diesem Montagvormittag in Berlin im ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR, das inzwischen die private Management-Hochschule ESMT beherbergt, und versucht sich mal wieder an diesem Spagat. Kramp-Karrenbauer hat angekündigt, dass man im Kampf gegen den Klimawandel Dinge tun müsse, die weh täten. Aber zu weh, das hat die CDU-Vorsitzende inzwischen festgestellt, sollen sie auch wieder nicht tun.
Und das ist ein Problem für AKK.
So kassierte Kramp-Karrenbauer nach SPIEGEL-Informationen am Montag vor acht Tagen im CDU-Vorstand den Vorschlag zu einer CO2-Steuer als ein mögliches Instrument, nachdem in der Sitzung massiver Widerstand laut geworden war, auch die Kanzlerin hatte sich für andere Alternativen ausgesprochen. Ob damit die CO2-Steuer, die der aktuelle Koalitionspartner SPD genauso fordert wie mit den Grünen der mögliche künftige Koalitionspartner, schon endgültig vom Tisch ist oder nur ganz nach hinten auf der Instrumentenliste gerückt ist, darüber existieren unterschiedliche Interpretationen in der CDU.
Fakt ist: Es gibt prominente Christdemokraten, die eine generelle Besteuerung von CO2 über Mineralöl hinaus weiterhin für eine von mehreren Ideen mit Potenzial halten und dies auch öffentlich sagen - beispielsweise Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und Parteivize Armin Laschet und Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther hat sich sogar explizit für eine CO2-Steuer ausgesprochen. Und es gibt Christdemokraten wie den Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung MIT, Carsten Linnemann, oder Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, die schon wegen des Begriffs "Steuer" anderer Meinung sind.
Dazwischen steht nun Parteichefin Kramp-Karrenbauer, die an diesem Vormittag in der ESMT ein Buch zu Europa vorstellt, aber irgendwann auch beim Thema CO2-Reduktion anlangt. "Wir wollen in der CDU die Klimaschutzziele auch über die Steuerungswirkung des Preises erreichen", sagt sie. Aber es gebe eben viele andere Möglichkeiten als eine Steuer, nämlich den Zertifikatehandel, Abgaben, steuerliche Erleichterungen und Innovationen. Ohnehin liege die beste Lösung auf europäischer Ebene. "Aber wir starten die Debatte jetzt. Wir haben keine Denkverbote."
Ist die CO2-Steuer doch noch im Spiel?
Einer der Autoren des Papiers, das im CDU-Vorstand rasiert wurde, der baden-württembergische Parteichef und Bundesvize Thomas Strobl, sagt am Montag, es gebe "wesentlich intelligentere und zielgenauere Instrumente als eine schlichte CO2-Steuer, und die müssen ergriffen werden". Daran werde er weiter mitarbeiten. Also ist eine komplexere Steuer nach Schweizer Vorbild, wie sie Parteivize Laschet beschreibt, doch noch im Spiel?
Andererseits hat der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder am Wochenende nochmal klargestellt, dass seine Partei gegen jegliche Bepreisung von CO2 ist. Und Thüringens CDU-Chef Mike Mohring, Spitzenkandidat für die dortige Landtagswahl im Oktober, drückt gegenüber dem SPIEGEL seine Verwunderung darüber aus, dass "offenbar niemanden interessiert, dass neben Bremen gleich drei Landesverbände im Osten vor enorm wichtigen Landtagswahlen stehen."
Aus Sicht von Präsidiumsmitglied Mohring ist klar: "Die Debatte um die CO2-Steuer ist jedenfalls keine Unterstützung." Vor allem in Sachsen und Brandenburg, wo schon Anfang September gewählt wird, dürfte man sich mit Blick auf die AfD vor dem Verhetzungspotential der CO2-Steuer-Debatte sorgen.
Parteichefin Kramp-Karrenbauer muss das irgendwie ordnen, bündeln, zusammenführen. Bisher sieht es so aus, als gebe es gar keine Linie, was nicht unbedingt für die Autorität der Chefin spricht. Eine Autorität, die ohnehin unter den schwachen Umfragewerten der Union und den noch schwächeren der Vorsitzenden selbst leidet. Und in drei Wochen finden schon die Europawahl, die Wahlen zur Bremer Bürgerschaft und zu kommunalen Parlamenten in mehreren Bundesländern statt.
Kramp-Karrenbauer weiß, dass ihrer Partei die Zeit davonläuft. "Die CDU hat faktisch gar keine Wahl, als einen Preis auf CO2 zu erheben - ob über eine Steuer oder einen erweiterten Zertifikatehandel", sagt Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. "Die Alternative wären ordnungsrechtliche Maßnahmen wie etwa Verbote oder Anordnungen", sagte er dem SPIEGEL.
Man kann die CO2-Ziele nicht einfach mehr reißen
Einfach die CO2-Ziele verfehlen - das geht künftig nicht mehr. Dies verhindert eine neue EU-Verordnung zur Verringerung der Treibhausgasemissionen, der die Bundesregierung im vergangenen Jahr zugestimmt hat. Diese so genannte 'Effort Sharing'- oder Lastenteilungs-Entscheidung legt fest: Alle Staaten müssen ihre Emissionen in den Sektoren Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und kleine Industrieanlagen um festgelegte Werte verringern. Deutschlands CO2-Ausstoß in diesen Sektoren muss bis 2030 um 38 Prozent sinken, es gibt genaue Vorgaben für jedes Jahr.
"Schafft Deutschland das nicht, muss die Bundesregierung von 2021 an für jedes Jahr anderen Regierungen von EU-Staaten Emissionszertifikate abkaufen", sagt Klimaökonom Edenhofer. "Das kann Milliardenkosten verursachen." Der Berliner Think Tank Agora Energiewende prognostiziert Kosten von 30 bis 60 Milliarden Euro - und das für den Fall, dass es der Bundesregierung gelänge, den CO2-Ausstoß in den genannten Sektoren um jährlich ein Prozent zu senken. Schon das wäre ein Fortschritt: Zwischen 2014 und 2017 sind diese Emissionen Jahr für Jahr angestiegen.
Bezahlen muss daher so oder so jemand: Entweder die CO2-Verursacher - oder am Ende alle Steuerzahler. "Man kann das Klima nicht schützen, ohne dass es die Menschen merken" - so hat es Kramp-Karrenbauer vor einigen Wochen in der "Zeit" ausgedrückt. "Das wird nicht allen in der Partei gefallen."
Eine zutreffende Analyse. Umso komplizierter wird die Aufgabe für Kramp-Karrenbauer.