Steinmeiers Osteuropa-Plan Brüssel oder Moskau? Beides!

Im Auswärtigen Amt kursieren Überlegungen zu einer neuen Nachbarschaftspolitik mit Ländern östlich der EU: Sie sollen sich nicht mehr zwischen Brüssel und Moskau entscheiden müssen. Das will Steinmeier mit seinen Kollegen aus Polen und Frankreich besprechen.
Außenminister Steinmeier, hier zuletzt in Kiew: Spannungsreiche Tage und Wochen

Außenminister Steinmeier, hier zuletzt in Kiew: Spannungsreiche Tage und Wochen

Foto: AP/dpa

Berlin - Vor über einem Monat schienen die Außenpolitiker Deutschlands, Frankreichs und Polens einen großen Erfolg verbucht zu haben. Damals, noch unter dem Eindruck des Massakers auf dem Maidan-Platz in Kiew, handelten Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius und Radoslaw Sikorski mit der Opposition und dem damaligen Staatschef einen Ausweg aus. Doch das Papier war 24 Stunden später schon Makulatur - Teile der Opposition hielten sich nicht daran, Präsident Wiktor Janukowitsch floh nach Russland.

Seitdem ist viel passiert - die Krim wurde von Moskau annektiert, die Spannungen rund um die Ukraine halten an, die Nato verstärkt ihre Luftraumüberwachung im Osten.

Erstmals seit ihrer Maidan-Mission kommen Steinmeier, Fabius und Sikorski am Montag in Berlin und anschließend in Weimar wieder persönlich zusammen. Das Treffen der Außenminister des sogenannten Weimarer Dreiecks, das seit 1991 regelmäßig stattfindet, steht diesmal ganz im Zeichen der Ukraine und der Beziehungen zu Moskau.

Außenminister Steinmeier (SPD) preist das Dreieck als Beispiel, wie in Europa zusammengearbeitet werden kann. "Wir haben gelernt, miteinander über Grenzen hinweg zu denken", sagte er am Montag SPIEGEL ONLINE. Man wolle sich mit voller Kraft für Europa und den Frieden in Europa einsetzen. "Das war unsere Haltung, als wir in zähen Verhandlungen das Blutvergießen in der Ukraine beenden konnten. Das wird auch jetzt unsere Haltung sein, wenn es darum geht, eine neue Spaltung Europas zu verhindern", so der Außenminister weiter.

Nato-Solidarität betont

Gemeinsamkeiten sollen herausgestrichen werden. "Wir drei haben klare Botschaften zur russischen Politik gegenüber der Ukraine gesendet. Wir drei haben uns aber auch jedem Versuch einer weiteren Aufheizung des Konflikts widersetzt", so Steinmeier. Zugleich strich er vor dem Treffen der Nato-Außenminister, die sich ebenfalls am Dienstag und Mittwoch in Brüssel treffen, die Entschlossenheit des Westens heraus, in der Krise zusammenzustehen: "Unsere Partner in der Europäischen Union und in der Nato können sich unserer Solidarität sicher sein."

Die Außenminister aus Berlin, Paris und Warschau, die am Montag in Berlin zunächst mit Studenten diskutieren und am Dienstag in Weimar eine gemeinsame Pressekonferenz abhalten, wollen eine gemeinsame Erklärung abgeben. Sie soll eine möglichst flexible Haltung beim Umgang mit östlichen Partner enthalten.

Steinmeier und seine Kollegen ziehen damit Konsequenzen aus der bisherigen Politik der EU, die die Ukraine in eine Zwangslage brachte - sich entweder für die Lockungen der EU oder für die Russlands entscheiden zu müssen. "Unser Angebot einer engeren Zusammenarbeit mit den Ländern in unserer östlichen Partnerschaft bleibt auf dem Tisch. Unsere Politik muss die politischen Gegebenheiten angemessen reflektieren. Wir werden unsere östlichen Nachbarn nicht in Entweder-oder-Entscheidungen drängen", betonte Steinmeier.

Überlegungen aus dem Auswärtigen Amt

Wie soll das konkret aussehen? Welche Angebote können neuen Partnern im Osten gemacht werden? Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu, die Nachbarschaftspolitik der EU gegenüber den östlichen Partnern sei ursprünglich als eine Alternative zu einer Beitrittsperspektive angelegt worden. Hier solle nun für jedes Land über "passgenaue und auch kreative Lösungen" nachgedacht und die Nachbarschaftspolitik dafür flexibler ausgestaltet werden. "Das gilt auch für die Instrumente der finanziellen Unterstützung, die kurzfristiger steuerbarer werden sollten", hieß es.

Den am weitesten fortgeschrittenen Partnern, so eine weitere Überlegung im Auswärtigen Amt, könnten attraktive Angebote gemacht werden - etwa, indem langfristig mehr als Freihandelsabkommen angeboten würden - "zum Beispiel die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums".

Ausdrücklich hieß es dazu: Dabei müsse "die Frage der Vernetzung und der Kompatibilität mit anderen Wirtschaftsräumen immer mitgedacht werden". Ein Hinweis auf Russland, das die Ukraine schon vor Ausbruch der Krise und der Annexion der Krim in sein Projekt eines euroasiatischen Wirtschaftsraumes einbeziehen wollte.

Und schließlich: Berlin will eine bessere Koordinierung der europäischen Außenpolitik. Dem EU-Außenbeauftragten, der wie die EU-Kommission neu besetzt wird, soll künftig die Federführung für die Koordinierung der Arbeit der für Außenbeziehungen zuständigen Kommissare übertragen werden. "Eine erfolgreiche Nachbarschaftspolitik erfordert eine effizientere Zusammenarbeit zwischen Kommission und Europäischem Auswärtigen Dienst", hieß es im Auswärtigen Amt.

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