Kritik am Kurs Wirtschaftsflügel der Union attackiert Merkel

Kurz vor dem Parteitag holt der Wirtschaftsflügel der Union zum Rundumschlag gegen CDU-Spitze und Regierung aus: Mittelstands-Chef Schlarmann kritisiert das Energiekonzept als "Planwirtschaft", nennt Wolfgang Schäubles Steuerpläne "lächerlich" und fordert von Angela Merkel eine Kurskorrektur.
Schlarmann, Merkel: Kritik kurz vor dem Parteitag

Schlarmann, Merkel: Kritik kurz vor dem Parteitag

Foto: A3464 Rainer Jensen/ dpa

Josef Schlarmann

Berlin - Wenn sich zu Wort meldet, dann muss die Parteivorsitzende mit deutlichen Worten rechnen. "Plagegeist" hat der SPIEGEL den Vorsitzenden der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) einst getauft. Das war durchaus respektvoll gemeint, weil der 71-Jährige zwar als Außenseiter gilt, sich dafür aber als einer der wenigen Christdemokraten regelmäßig traut, Angela Merkel auf die Nerven zu gehen. Und wann, wenn nicht jetzt, so kurz vor dem Bundesparteitag, wäre ein guter Zeitpunkt, der Chefin mal wieder die Meinung zu sagen.

CDU

Also holte Schlarmann, der auch im Bundesvorstand der sitzt, am Mittwoch vor einer Journalistenrunde zu einem Rundumschlag gegen die Parteispitze und die Bundesregierung aus. Der MIT-Chef ist tief enttäuscht, dass seine immer wieder geäußerte Kritik am Kurs von CDU und Koalition auf taube Ohren bei Merkel und ihren Beratern stößt.

Klares Signal dafür: Kein einziger der zahlreichen Anträge der 30.000 Mitglieder starken Mittelstandsvereinigung sei dem Parteitag in zwei Wochen in Karlsruhe von der CDU-Spitze zur Annahme empfohlen worden. "Daran kann man den Umgang mit liberal-konservativen Werten messen", sagt Schlarmann.

Der kürzlich verabschiedete Leitantrag des CDU-Vorstands dagegen bemühe sich zwar mit Vokabeln wie Heimat und Leitkultur durchaus die Sprache der Konservativen aufzugreifen, sagte Schlarmann. Das Papier bestehe aber fast ausschließlich aus Absichtserklärungen. "Mit welcher konkreten Politik diese Ziele erreicht werden sollen, wird nicht gesagt."

bürgerliche Regierung

Scharf kritisiert die MIT die bisherige Politik der schwarz-gelben Regierung. "Die Hoffnungen auf einen ordnungspolitischen Kurswechsel in diesem Land, der nur durch eine umgesetzt hätte werden können, wurden bisher nicht erfüllt", heißt es in einem abgelehnten Antrag zum Parteitag, der die Überschrift "Kompass für die CDU" trägt. Viele Menschen hätten den Eindruck, dass die "Strategie der Wählereinschläferung" aus dem Wahlkampf in der Koalition fortgesetzt würde.

"Adenauer hätte sich im Grabe umgedreht"

Schlarmann monierte in der Regierung eine Kluft zwischen Reden und Handeln. "Wenn ich vor den Wahlen ein einfacheres Steuersystem mit niedrigeren Sätzen verspreche und dann nach der Wahl genau das Gegenteil mache, dann hat das mit konservativer Politik nichts zu tun", sagte der MIT-Chef. "Dann heißt das: Der Wähler ist mir schnuppe."

Statt Subventions- und Industriepolitik zu betreiben, müsse sich der Staat wieder auf seine eigentliche Funktion besinnen und beschränken, nämlich einen Ordnungsrahmen für die Wirtschaft herstellen. "Ohne freie Wirtschaft kann es keine freie Gesellschaft geben", betonte Schlarmann. Der derzeitige Kurs sei gefährlich, weil Lobbyisten einen starken Einfluss auf die Regierungspolitik ausübten. Die derzeitigen Pläne von Finanzminister Wolfgang Schäuble zur Steuervereinfachung nannte Schlarmann mit Blick auf das angepeilte Volumen von 500 Millionen Euro "lächerlich".

Auch am jüngst im Bundestag verabschiedeten Energiekonzepts kann der CDU-Mann nichts Gutes finden. Nicht weil der Ausstieg aus der Atomenergie aufgeschoben wird - in die Frage des Energieträgers sollte sich der Staat nach seiner Meinung gar nicht einmischen. Schlarmann stört die Langfristigkeit des Konzepts, das klare Ziele bis ins Jahr 2050 vorgibt.

"Planwirtschaft pur" sei dies, sagte er und spottete: "Konrad Adenauer und Ludwig Erhard würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie davon hörten." Es sei keine konservative Politik, "wenn die Regierung Energiepolitik über 40 Jahre mit vorgegebenem Ergebnis plant." Die DDR habe insgesamt nur 40 Jahre existiert und mit ihren Fünf-Jahres-Plänen schließlich regelmäßig daneben gelegen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren