Kritik an der Kanzlerin Union schießt sich auf Merkel ein

Merkel im Bundestag: Die CSU tobt, in der CDU rumort es
Foto: Arno Burgi/ dpaBerlin - Die Wahlniederlage der Union in Nordrhein-Westfalen und der Umgang mit der Euro-Krise lässt die Linkspartei bereits forsche Forderungen an die Kanzlerin stellen: Die Regierungschefin müsse im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, poltert Parteivize Klaus Ernst. Merkel müsse schnell unter Beweis stellen, dass sie noch über eine Mehrheit im Parlament verfüge.
Ein populistischer, ein absurder Vorschlag. Klar aber ist: Tatsächlich nimmt der Druck auf die Kanzlerin aus den eigenen Reihen deutlich zu. "Selbst schwarz-gelbe Insider sehen schon das Ende von Schwarz-Gelb kommen", ätzte Ernst, der designierte Nachfolger von Oskar Lafontaine. Der Umgang mit der Euro-Krise zeige, dass sich Merkel der eigenen Mehrheit längst nicht mehr sicher sei.
Am Mittwoch preschten Kritiker aus der CSU vor. Sie warfen der Regierungschefin schlechtes Krisenmanagement vor und drohten damit, dem Euro-Rettungspaket nicht zuzustimmen. "Bei Projekten dieser Tragweite muss ein Höchstmaß an Transparenz herrschen. Die bisherige Informationspolitik der Bundesregierung nach innen wie nach außen ist deutlich verbesserungsfähig", sagte Generalsekretär Alexander Dobrindt dem "Handelsblatt". "Die CSU erwartet künftig umfassend und ohne Aufforderung informiert zu werden."
Vor allem erzürnt die CSU, dass beim Krisentreffen von Teilen des Kabinetts bei der Kanzlerin am Sonntagabend kein einziger CSU-Minister hinzugezogen wurde. "Es kann nicht sein, dass die CSU bei einer so wichtigen Besprechung wie der zum Euro-Rettungspaket nicht mit am Kabinettstisch sitzt", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Georg Nüßlein, dem Blatt. "Als Konsequenz daraus muss sich die Kanzlerin dann auch nicht wundern, wenn die CSU nicht in ihrem Sinne abstimmt."
Schweres Geschütz fuhr beim Treffen der Landesgruppe auch Ex-Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) auf. Merkels Krisenmanagement sei schlecht, sagte er, "von Griechenland bis NRW". Nach Informationen des "Handelsblatts" haben mehrere Vertreter der CSU-Spitze der Kanzlerin ihre Vorbehalte am Dienstag in verschiedenen internen Runden wie dem Kabinettsfrühstück deutlich gemacht.
Kritik an Merkel kam erneut auch von Josef Schlarmann, Chef der CDU/CSU- Mittelstandsvereinigung. Er sieht die Koalition aus Union und FDP in Gefahr, weil Steuersenkungen zunächst auf Eis gelegt wurden. "Die Absage an Steuersenkungen ist das Ende des wachstumspolitischen Konzepts der CDU", sagte Schlarmann der "Rheinischen Post". Er glaube, dass die Koalition "so vor die Wand fährt". "Die Gefahr besteht, dass das schwarz-gelbe Projekt im Bund nach nur sieben Monaten schon wieder vor dem Ende steht", sagte das CDU-Vorstandsmitglied. Die wachstums- und reformorientierte Politik sei "so gut wie tot". Das habe "auch Merkel mitzuverantworten".
Der Chef der Unions-Abgeordneten im EU-Parlament, Werner Langen, nannte das Euro-Hilfspaket einen klaren Bruch der europäischen Verträge. "Die von den Staats- und Regierungschefs und der EU-Kommission angewendeten Artikel sind eigentlich für Naturkatastrophen und einmalige Notsituationen bestimmt und nicht, um Staaten aus selbstverschuldeten Schuldenkrisen zu retten", sagte Langen der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die EU seit über Nacht zur Transferunion geworden. Der CDU-Politiker warnte, dass der Rettungsschirm Deutschland vermutlich mehr kosten werde als bislang bekannt.
Koch stellt sich gegen Merkels Kurs
Hessens Ministerpräsident Roland Koch hatte bereits am Dienstag Konsequenzen aus dem Wahldebakel der CDU in NRW und damit einen Kurswechsel gefordert. Die konservativen Wähler müssten stärker eingebunden werden. "CDU, CSU und FDP sollten sich in den nächsten Tagen darauf verständigen, welche Schritte in dieser Wahlperiode möglich sind", sagte Koch dem "Hamburger Abendblatt". "Wir brauchen Klarheit, welche Teile des Koalitionsvertrags sich angesichts der weltwirtschaftlichen Lage und der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat umsetzen lassen." Er mahnte Einsparungen bei der Familien- und Bildungspolitik an. "Wir müssen prüfen, ob das noch finanzierbar ist." Koch schlug vor, den Zeitplan zu verschieben.
Die CDU darf nach Ansicht von Koch den konservativen Flügel nicht vernachlässigen. Sie dürfe "Menschen nicht verlieren, die ein traditionelleres Weltbild haben", sagte der Parteivize. Die CDU hatte im Januar beschlossen, sich auch neuen Wählerschichten stärker zu öffnen, dabei aber gleichzeitig die Stammwähler zu beachten.
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht musste Merkel bereits gegen ihre Kritiker in Schutz nehmen. Bei der Debatte um das fehlende Profil der Partei gehe es "viel zu sehr um persönliche Profilierung" und "wohl auch um persönliche Macht", sagte die CDU-Landesvorsitzende der "Thüringer Allgemeinen". Die Argumentation des Thüringer CDU-Landtagsfraktionschefs Mike Mohring, dass die Partei ihre Bindungskraft einbüße, bezeichnete sie als falsch.
Zugleich kritisierte Lieberknecht aber auch das bisherige Bild der Koalition im Bund. Die Union habe in Nordrhein-Westfalen verloren, weil die CDU auch in Berlin ihr "Handwerk nicht richtig gemacht" habe und sich "zu sehr von der FDP treiben" ließ. Als Beispiele für Fehler nannte Lieberknecht das "überstürzte Gesetzgebungsverfahren" beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz und die "völlig überflüssige Neuordnung" der Solarförderung.
Nach der Absage Merkels an baldige Steuersenkungen sieht Lieberknecht auch das Thema einer Gesundheitsreform nach FDP-Vorstellungen als erledigt an. "Ich weiß nicht, wer noch daran glaubt, dass wir eine Kopfpauschale einführen", sagte sie. "Ich jedenfalls nicht - und ich habe auch das Gefühl, dass dieser Glauben beim Bundesgesundheitsminister schwindet."