Bundespräsident Scharfe Kritik an Gaucks Ruf nach Militäreinsätzen

Joachim Gauck forderte eine größere Bereitschaft für Auslandseinsätze - ausgerechnet jetzt, wo viele Regionen der Welt von neuen Konflikten erschüttert werden. SPD und Grüne rügen die Äußerungen des Bundespräsidenten.
Staatsoberhaupt Gauck: "Manchmal erforderlich, zu den Waffen zu greifen"

Staatsoberhaupt Gauck: "Manchmal erforderlich, zu den Waffen zu greifen"

Foto: DAVID GANNON/ AFP

Berlin - Die jüngste Forderung von Bundespräsident Joachim Gauck fällt in eine sensible Phase der Weltpolitik. Der syrische Bürgerkrieg geht ins vierte Jahr, im Ukraine-Konflikt ist keine friedliche Lösung in Sicht, der Irak wird durch den Vormarsch der Isis-Dschihadisten in Chaos gestürzt. Ausgerechnet in dieser komplizierten Gemengelage mahnt Gauck eine höhere Bereitschaft für Bundeswehreinsätze im Ausland an.

Deutschland sollte nach Ansicht des Staatsoberhaupts nicht automatisch die Beteiligung an Militäreinsätzen ausschließen, das sagte Gauck am Wochenende in einem Radiointerview . Zu einer aktiven Politik zur Konfliktlösung gehöre es auch, "den Einsatz militärischer Mittel als letztes Mittel nicht von vornherein zu verwerfen". Im Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen sei es "manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen", so der Bundespräsident.

Ähnliches hatte Gauck schon vor einigen Monaten gefordert. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Januar warb er für eine Außenpolitik des Einmischens statt Wegsehens. Doch dass der Bundespräsident seinen Ruf nach einem Kurswechsel ausgerechnet jetzt erneuert, wo es in vielen Regionen knallt und brennt, sorgt bei Politikern aus Koalition und Opposition für Unmut.

"Die Welt wird von einer Vielzahl von Konflikten erschüttert. Deutschland geht mit jedem einzelnen dieser Konflikte behutsam um. Das ist richtig so", sagte der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich SPIEGEL ONLINE. "Unsere außenpolitische Strategie wird von unseren internationalen Bündnispartnern und innerhalb Europas als vorbildlich anerkannt. Eine Forderung nach mehr militärischem Engagement ist aus meiner Sicht zu diesem Zeitpunkt unverständlich. Ich sehe keinen Anlass, am Umgang mit Militäreinsätzen zu rütteln", fügte er hinzu.

"Mich irritieren die Äußerungen"

Weitaus aggressiver reagierte - wenig überraschend - die Linke. "Menschenrechte lassen sich nicht herbeibomben", sagte Fraktionssprecher Jan van Aken und verortete Gauck irgendwo zwischen "Feldherr und Weltpolizist". Plumpe Kriegstreiberei kann man Gauck allerdings nicht vorwerfen. Es gehe nicht um ein "deutsches Dominanzgebaren", betonte er in dem Interview, "ganz im Gegenteil".

Aber der Bundespräsident setzt in einer fragilen weltpolitischen Situation das Signal, dass Militäreinsätze nicht das schlimmste aller Übel seien. "Deutschland darf weder aus Prinzip Nein noch reflexhaft Ja sagen", hatte Gauck im Januar über Kriegseinsätze gesagt. Er hätte es dabei belassen können. Doch er entschied sich dazu, seinen Standpunkt aufzufrischen.

Auch die Grünen kritisierten den Appell des Staatsoberhauptes als verfehlt. "Bei allem Respekt, das kann man so pauschal nicht fordern", sagte der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour SPIEGEL ONLINE. "Es muss immer den Grundsatz geben, dass Militäreinsätze von Fall zu Fall entschieden werden. Sie sind manchmal sinnvoll, manchmal nicht", so Nouripour weiter.

Auch für die Expertin für Sicherheitspolitik in der Grünen-Fraktion, Agnieszka Brugger, gehen Gaucks Worte in die falsche Richtung. "Mich irritieren die Äußerungen des Bundespräsidenten", sagte sie SPIEGEL ONLINE. "Es gibt in Deutschland gute Gründe für eine Kultur der Zurückhaltung. Militäreinsätze dürfen nicht zum Normalfall in der Außenpolitik erklärt werden. Zumal Bundeswehreinsätze in der Vergangenheit nicht unbedingt immer erfolgreich verliefen."

Ein aktives Auftreten in Krisenregionen, das begrüße sie durchaus, fügte Brugger hinzu. "Wenn wir unser Engagement verstärken, dann aber vor allem in Form von präventiven Maßnahmen - damit Konflikte gar nicht erst entstehen", so die Grünen-Abgeordnete.

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