Parteiinterne Kritik CDU-Konservative drängen Merkel zu Abgrenzung von AfD

CDU-Chefin Merkel: Konservative in Sorge
Foto: AP/dpaBerlin - Eigentlich sah alles nach einer ruhigen Tagung aus, wenn sich der CDU-Vorstand am Freitag und Samstag in Erfurt zur Klausur trifft. Die Führungsriege soll den Entwurf zum Europawahlprogramm beschließen, ein ausschweifendes Dokument, getragen vom europafreundlichen Duktus vergangener CDU-Programme. Kritik an der Parteichefin gibt es bei Vorstandstreffen ohnehin nicht mehr. Spätestens seit ihrem klaren Sieg bei der Bundestagswahl hat sich Angela Merkel in der CDU mit ihrem Modernisierungskurs endgültig durchgesetzt.
Doch jetzt könnte etwas Würze in die Veranstaltung kommen. Denn kurz vor der Klausur melden sich bekennende Konservative in der Union zu Wort. Steffen Flath, Chef der CDU-Fraktion in Sachsen, und Christean Wagner, Gründer des konservativen Berliner Kreises, warnen mit Blick auf den anstehenden Europawahlkampf: Wenn die Union in der Großen Koalition konservatives Profil verliert, könnte das zur Chance der Euro-Kritiker von der Alternative für Deutschland (AfD) werden.
Die AfD sei für die Union "zu einer Herausforderung geworden", schreiben die CDU-Politiker in einer Denkschrift, die SPIEGEL ONLINE vorliegt. "Allein das Antreten der AfD bei der letzten Bundestagswahl hat dazu geführt, dass die Union ihre Mehrheit mit der FDP verloren hat und in eine Koalition mit der SPD gezwungen wurde." Die AfD buhle um "konservative Stammwähler der Union", heißt es in dem Papier, das am Freitag veröffentlicht werden soll.
Die Mahnung der CDU-Orthodoxen an Merkel ist deutlich: Durch einen Linkskurs der CDU würde Platz für die AfD frei. Welchen Erfolg die AfD habe, "hängt davon ab, ob die Union etwa vor allem die linke Mitte bedient und hierdurch Freiräume für politische Konkurrenten schafft. Die Preisgabe konservativen Profils birgt die Gefahr, mehr treue Anhänger zu verlieren, als an Wechselwählern hinzu zu gewinnen", analysieren Flath und Wagner. "Das gilt umso mehr, da die Union in der aktuellen Großen Koalition zwangsläufig Schaden am eigenen Profil nehmen wird."
Wer kommt nach Merkel?
Flath und Wagner zählen in der CDU schon länger zu den letzten verbliebenen Kritikern von Merkels Modernisierungskurs. Wagner hat in der Vergangenheit mehrere Streitschriften gegen die CDU-Spitze verfasst und den Berliner Kreis in der Union gegründet. Zu seinen besten Zeiten gehörten dem Kreis über 20 Bundestagsabgeordnete an, nach dem CDU-Erfolg bei der Wahl war es um den Zirkel allerdings ruhig geworden. Flath führt die CDU-Fraktion in Sachsen, wo Ende August Landtagswahlen anstehen. Derzeit regiert die CDU dort noch mit der FDP. Allerdings hatte die AfD bei der Bundestagswahl in den östlichen Bundesländern und vor allem in Sachsen überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt.
"Die einfachen Lösungsvorschläge der AfD wirken anziehend", schreiben Flath und Wagner. Doch "statt europafeindlicher Abgrenzung kommt es darauf an, einerseits das erforderliche Maß an Eigenständigkeit der Nationalstaaten zu wahren und andererseits das Zusammenwachsen Europas, das zum Kernanliegen der Union seit Adenauer gehört". Würde sich die AfD neben der Union als konservative Kraft etablieren, würde das bürgerliche Lager geschwächt.
Ihre Mahnung richten Flath und Wagner nicht nur an Kanzlerin Merkel, sondern auch an den neuen Generalsekretär Peter Tauber. "Im Wege einer Arbeitsteilung zwischen Bundesvorsitzender und Generalsekretär" müsse "dieser Positionen der eigenen Partei erkennbar und nachdrücklich zur Geltung" bringen - "vor allem solche, die wegen des Widerstands des Koalitionspartners nicht durchgesetzt werden konnten".
Bereits am Mittwoch hatte der Berliner Kreis ein weiteres Positionspapier veröffentlicht, in dem die Gruppe den Ausgang der Bundestagswahl analysiert. Trotz des guten Unionsergebnisses gebe es keinen Anlass zu "Freudentänzen", heißt es darin mit Blick auf die notwendige Regierungsbildung mit dem "politischen Hauptgegner SPD". Scharf kritisieren die Konservativen die Koalitionsverhandlungen, in denen sich die Union allein auf "Verhinderungserfolge" beschränkt habe wie etwa das Nein zu Steuererhöhungen oder Euro-Bonds.
Der Berliner Kreis mahnt auch, dass sich die CDU schon jetzt gedanklich mit der Frage befassen müsse, "wer die Union führen wird, wenn eines Tages Angela Merkel nicht mehr zur Verfügung steht. Aus heutiger Sicht fällt die Antwort schwer."