Kirchensteuer Liberaler Vorstoß empört Christen in der Koalition

Kirche in Ostdeutschland: Patronatskirche in Klieken (Sachsen-Anhalt)
Foto: dapdBerlin - Es ist ein Thema, das immer wieder für gereizte Debatten sorgt. Wie weit soll die Trennung von Kirche und Staat gehen? Muss die Kirchensteuer über die Finanzämter eingezogen oder soll sie künftig durch die Religionsgemeinschaften selbst eingetrieben werden?
Die sächsischen Liberalen haben jetzt einen Vorstoß unternommen, der in der eigenen Partei und beim Koalitionspartner höchst umstritten ist. Die bisherige Kirchensteuer solle im Freistaat "durch ein kircheneigenes Beitragssystem" ersetzt werden, heißt es einem Antrag des FDP-Landesparteitags.
Holger Zastrow, alter und neuer Landeschef und kürzlich auf dem Bundesparteitag als einer von drei Vize-Parteichefs gewählt, verteidigte den Beschluss. Als Liberaler, so betonte er auf dem Treffen seiner sächsischen FDP in Neukieritzsch, sei man "streng säkular".
Dieser Interpretation wollen in der FDP nicht alle folgen. Zwar ist die Partei aus ihrer Historie heraus kirchenkritisch eingestellt. Seit einigen Jahren aber gibt es in der FDP einen Arbeitskreis "Christen in der FDP-Bundestagsfraktion". Deren Vize-Sprecher Pascal Kober, evangelischer Pfarrer aus Baden-Württemberg, lehnt den Beschluss ab: "Ein solcher Antrag würde in der Bundes-FDP keine Mehrheit finden."
In Deutschland gilt in jedem Bundesland ein eigener Staatsvertrag mit den anerkannten Religionsgemeinschaften. Die Kirchensteuer wird von Land zu Land über die jeweiligen Finanzämter erhoben, in der überwiegenden Mehrheit werden neun Prozent auf die Einkommens- und Lohnsteuer abgeführt, auch für Kapitalerträge gilt eine entsprechende Regelung.
Kober ist überzeugt: Die Forderung, die Kirchen sollten ihre Steuer künftig selbst erheben, würde zu Doppelstrukturen führen und Geld kosten, das an anderer Stelle fehle. "Das sind Mittel, die sinnvollerweise anders verwendet werden können", mahnt er. Und: Schließlich ließen sich die Länder den Service auch etwas kosten - für den Einzug stellten sie den Kirchen Gebühren in Rechnung. Aus der Bundes-FDP - Parteichef Rösler ist Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken - wird der Vorstoß aus Sachsen nicht kommentiert.
Der FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki - seit kurzem Mitglied im Bundespräsidium seiner Partei - kann dem Vorschlag hingegen durchaus etwas abgewinnen. "Ein gewisses Grundverständnis habe ich für dieses Ansinnen meiner sächsischen Freunde", sagt er. Der Liberale fügt jedoch hinzu: "Technisch und vor allem rechtlich ist das gar nicht umzusetzen." Die Kirchenstaatsverträge, glaubt er, seien nun einmal nicht so einfach zu ändern.
Kirchenstaatsverträge in der Debatte
Kirche und Liberale - das ist mitunter ein schwieriges Verhältnis.
Zu Zeiten der sozial-liberalen Koalition ging ein FDP-Beschluss auf dem Bundesparteitag 1974 in Hamburg unter dem Titel "Freie Kirche in einem freien Staat" in die liberale Geschichte ein. Eine der Forderungen: "Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Kirchen sind abzulösen."
In diesem Geist liest sich manches, was nun die FDP in Sachsen, selbst mit der CDU in einer Koalition, beschlossen hat. Unter dem Titel "Klare Regeln für Verhältnis zwischen Kirche und Staat - Trennung, Akzeptanz und Miteinander" wird auch verlangt, den konfessionellen Religionsunterricht in einen überkonfessionellen Ethikunterricht umzuwandeln. Das kritisiert der FDP-Bundestagsabgeordnete Kober ebenso scharf und erinnert seine ostdeutschen Parteifreunde an die DDR: "Hätten die Kirchen dort das Recht gehabt, an den Schulen konfessionellen Unterricht abzuhalten, wäre die Diktatur der SED so nicht möglich gewesen."
Die FDP in Sachsen stellt auch die im Freistaat gezahlten staatlichen Zuwendungen an die Kirchen - jährlich 23,5 Millionen Euro - in Frage. Diese seien durch die Koppelung an die Beamtenbesoldung ständig weiter gestiegen. "Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der zukünftig sinkenden Finanzausstattung des Freistaats Sachsen gehört diese Regelung auf den Prüfstand", heißt es. Das solle im gegenseitigen Einvernehmen mit den Kirchen erfolgen. Die Zuwendungen sollten sich dabei "auch an der Finanzkraft des Freistaats und der Zahl der Gläubigen orientieren", so die Sachsen-FDP.
Bei der Union sieht mancher die Debatte mit Grausen. Norbert Geis, CSU-Bundestagsabgeordneter, sagt: "Die FDP tut alles, um den potentiellen Koalitionspartner CDU/CSU zu verärgern." Mit der Union werde es nie zu einer Änderung bei der Kirchensteuer kommen. "Unabhängig davon", ärgert sich Geis, "hat die FDP in Sachsen offenbar keine Ahnung, welche Bedeutung die Kirchen für Staat und Gesellschaft in Deutschland immer noch haben".