Wegen Haltbarkeit von Moderna-Vakzine Kritik an Spahns Vorschlag zur Begrenzung von Biontech-Impfstoff

»Schwachsinn« und »ein schlechter Scherz«: Mit harten Worten kritisieren Politiker verschiedener Parteien und Vertreter des Gesundheitswesens den Plan des Ministers Jens Spahn, die Biontech-Auslieferung zu deckeln.
Der Impfstoff von Biontech/Pfizer gilt als besonders gut verträglich für junge Menschen

Der Impfstoff von Biontech/Pfizer gilt als besonders gut verträglich für junge Menschen

Foto: GEORGI LICOVSKI / EPA

Der Beschluss von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Lieferungen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer zeitweise zu begrenzen, stößt bei Vertretern verschiedener Parteien und des Gesundheitswesens auf Erstaunen, Unverständnis und deutliche Ablehnung.

Manuela Schwesig (SPD), die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, äußerte sich zur geplanten Drosselung der Auslieferung: »Wir müssen jetzt mal alle einen richtigen Schritt vorwärtsgehen, und das heißt für mich auch, Biontech-Impfstoff nicht kontingentieren«, sagte sie. Vor Ort solle weiterhin die Freiheit bestehen, mit der Vakzine von Biontech/Pfizer oder dem Impfstoff von Moderna impfen zu können.

Der Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen (Grüne) schrieb in Reaktion auf Spahns Pläne auf Twitter : »Das sollten wir nicht tun! Wir brauchen alles andere als eine Handbremse beim Impfen. Grade für junge Menschen ist der #BioNTech Impfstoff besonders gut verträglich.«

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Auch im rbb-Inforadio  sprach sich Dahmen entschieden gegen die Entscheidung des Noch-Gesundheitsministers aus. Alles, was an Impfstoff zur Verfügung stehe, müsse eingesetzt werden. Kontingent-Regelungen seien in dieser Situation nicht zielführend. Deutschland brauche »Vollgas bei dieser Booster-Impfkampagne und dazu sollte kein Impfstoff zurückgehalten werden«, sagte der Politiker.

Das Verfallsdatum ist im ersten Quartal 2022 erreicht

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums nähern sich die Moderna-Impfdosen, die derzeit eingelagert werden, dem Verfallsdatum: Sie seien nur bis Mitte des ersten Quartals 2022 haltbar. Damit diese Dosen verimpft werden, sollten nach Plänen des Ministeriums die maximalen Bestellmengen für Biontech in Arztpraxen und Impfzentren für eine gewisse Zeit begrenzt werden.

Am Samstag teilte das Ministerium mit: Bis zum Jahresende stünden in Deutschland 50 Millionen Corona-Impfdosen zum Einsatz bereit. Davon seien 26,08 Millionen Dosen des Herstellers Moderna und 24,3 Millionen von Biontech/Pfizer. »Beide Impfstoffe sind sicher, wirksam und gleich gut für Auffrischimpfungen geeignet.«

Für Menschen unter 30 Jahren empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) allerdings nur noch den Einsatz des Biontech-Impfstoffes. Nach einer Impfung mit der Vakzine von Moderna seien – immer noch sehr seltene – Herzmuskelentzündungen häufiger aufgetreten.

»Das können wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht leisten.«

Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte

Angesichts der stark steigenden Infektionszahlen dürfe man den Biontech-Impfstoff nicht begrenzen, sagte auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach am Samstag im Deutschlandfunk . »Das können wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht leisten. Das ist einfach nicht richtig. Es ist ja länger bekannt, dass der Moderna-Impfstoff jetzt auf sein Verfallsdatum zuläuft. Dann hätte man ihn anderswo zur Verfügung stellen müssen.«

»Das muss ein schlechter Scherz sein«, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Man brauche massenhaft Impfdosen. »Hier jetzt Höchstmengen zu definieren, ist absolut kontraproduktiv und setzt ein völlig falsches Signal.«

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisierte die Ankündigung ebenfalls: Das sei inakzeptabel, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in München. »Das muss besprochen und gelöst werden«, sagte er weiter. Holetschek ist Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz der Länder. Die Diskussion um eine Deckelung des Biontech-Impfstoffes wolle er auf die Tagesordnung der Beratungen setzen, die für Montag geplant sind.

Eine »gravierende Fehlentscheidung«

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) warf Jens Spahn eine Sabotage der Impfkampagne vor. Wie die »Bild am Sonntag« berichtet, hat die Vertreterversammlung der KVB am Samstag einstimmig eine »Resolution gegen erneute Sabotage der Corona-Impfkampagne« beschlossen. Darin heißt es: »Die gravierende Fehlentscheidung«, ab Ende November wöchentlich nur noch 30 Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer an Praxen auszugeben, müsse revidiert werden. Es sei geboten, dass Arztpraxen weiterhin unbeschränkt alle Impfstoffe bestellen dürfen.

Markus Beier, der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung, warf Spahn »Politikversagen« vor. »Dieser Minister, auch wenn er nur noch geschäftsführend im Amt ist, verkündet entweder umgehend, dass dieser Schwachsinn sofort zurückgedreht wird und wir die Impfmengen an Biontech, die wir bestellen, auch geliefert bekommen, oder er muss sofort aus dem Amt entfernt werden«, sagte er der Zeitung. »Hier wird dem Land, den Menschen und unseren Praxen und der Gesundheit schwerster Schaden zu gefügt.«

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz stellte sich ebenfalls gegen Spahns Vorhaben: »Während die amtierende Bundeskanzlerin, die Regierungschefs der Länder und der Bundestag die große Boosteroffensive ausrufen, torpediert Jens Spahn das Vorhaben«, sagte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch.

vki/Reuters/dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren