Kritik an Staatsanwälten Jurist rügt sanften Umgang mit Wulff

Bundespräsident Wulff: Jura-Professor kritisiert feudalistischen Respekt vor dem Amt
Foto: Wolfgang Kumm/ dpaFür den Bochumer Strafrechtsprofessor Klaus Bernsmann ist die Sache eindeutig: Rein strafrechtlich liege gegen den Bundespräsidenten ein Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme vor. Christian Wulff habe sich zu Urlauben einladen lassen und kostenlose Upgrades bekommen, sagte Bernsmann dem SPIEGEL. Für eine Ermittlung brauche es gar keine besondere Gegenleistung des Amtsträgers. Bei den Vorwürfen gegen Wulff handle es sich um den "Klassiker der Vorteilsannahme".
Weil die Staatsanwaltschaften in Hannover und Stuttgart es jedoch ablehnten, Ermittlungen einzuleiten, wirft der Jurist Bernsmann ihnen "ungewöhnliche Zurückhaltung" vor. "Wenn es um einen Bürgermeister oder einen Landrat ginge, hätte ein Staatsanwalt kaum ein Problem, einen Korruptionsverdacht anzunehmen."
Einen möglichen Hintergrund sieht Bernsmann in "einer Art feudalistischem Respekt" vor dem Amt des Bundespräsidenten. Bernsmann, der auch als Strafverteidiger arbeitet, sagt, er wäre "froh gewesen, wenn Staatsanwaltschaften bei einigen meiner Mandanten auch so zurückhaltend gewesen wären".
Partymanager Schmidt weist Vorwürfe zurück
Mit Bezug auf die Vorwürfe gegen Wulff beim Thema "Nord-Süd-Dialog" hat der Partymanager Manfred Schmidt eingeräumt, dass ihm die niedersächsische Staatskanzlei bei der Suche nach Geldgebern geholfen hat. Ohne die Kontakte und Empfehlungen des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff und seines Sprechers Olaf Glaeseker wäre die Durchführung des Events kaum möglich gewesen. "Es müssen ja mal Kontakte hergestellt werden, wenn so etwas von der Wirtschaft finanziert werden soll", sagte er gegenüber dem SPIEGEL.
Zugleich wies Schmidt den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, den inzwischen entlassenen Sprecher mit kostenlosen Urlaubsreisen bestochen zu haben. Er sei seit 30 Jahren mit dem Journalisten befreundet. In dieser Zeit habe er Glaeseker zu Urlauben eingeladen, umgekehrt habe aber auch er Glaeseker besucht. Zweimal sei er sogar mit dem Freund und dessen Frau im Liegeabteil eines Autoreisezugs in den Süden gefahren. "Das macht man nur, wenn man sich richtig kennt", betonte er.
Arnim: Kein Ehrensold für Wulff bei Rücktritt
Der Verwaltungsrechtsprofessor Hans Herbert von Arnim sagt, Wulff dürfe im Falle seines Rücktritts keinen sogenannten Ehrensold erhalten . Die Präsidentenpension macht rund 200.000 Euro jährlich aus. Arnim kommt zu diesem Ergebnis nach einer Prüfung des entsprechenden Gesetzes und seiner Begründung. Würde Wulff wegen der Vorwürfe um kostenlose Urlaubsaufenthalte, günstige Kredite und andere Zuwendungen zurücktreten, wäre dies ein Rücktritt aus "persönlichen Gründen".
Dieser sei in der Regelung zum Ehrensold nicht vorgesehen; die Gesetzesbegründung bestätige, dass es in einem solchen Fall kein Ruhegehalt geben soll. Die Beratungen des "Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten" in den Jahren 1952 und 1953 zeigten, dass der Ehrensold "nur beim Ausscheiden aus einem der drei im Gesetz aufgezählten Gründe" anfallen solle: nach Ablauf der Amtszeit und beim Ausscheiden aus politischen oder gesundheitlichen Gründen. "Moralische oder charakterliche" Vorwürfe, wie gegen Wulff erhoben, seien keine "politischen", sondern persönliche Gründe, so von Arnim.
Seine Pension als Ministerpräsident würde Wulff, 52, erst ab dem 60. Lebensjahr erhalten. Die Entscheidung über den Ehrensold liege im Fall eines Rücktritts bei der Bundesregierung: "Unter den gegebenen Umständen kann Wulff den Ehrensold nur bekommen, wenn man dem Gesetz Gewalt antut."