Kunduz-Affäre Gefeuerte Beamte wettern gegen Guttenberg

Früherer Generalinspekteur Schneiderhan: "Ich habe ihn nicht registriert"
Foto: dapdBerlin - Zwei wegen der Kunduz-Affäre von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg geschasste Top-Beamte haben sich bei ihrer zweiten Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss für ihr Verhalten nach dem Luftangriff bei Kunduz am Morgen des 4. Septembers 2009 gerechtfertigt. Konkret wiesen der ehemalige Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und der Ex-Staatssekretär Peter Wichert den Vorwurf Guttenbergs zurück, sie hätten ihn nach seinem Amtsantritt im Herbst 2009 nicht korrekt informiert. Guttenberg hatte sie mit dieser Begründung gefeuert.
Die beiden Beamten nutzten nun die Gelegenheit ihres zweiten öffentlichen Auftritts strategisch und gut vorbereitet, um den ungeliebten Ex-Chef zu belasten und politisch anzugreifen. So hätten sie dem Neuling vor seiner ersten Bewertung des Luftschlags "alle Fakten, die relevant waren" vorgelegt, sagte Wichert.
Guttenberg hatte den von Oberst Klein befohlenen Luftschlag zunächst als "militärisch angemessen", ja gar mehr oder minder unausweichlich, bezeichnet. Einige Wochen später musste Guttenberg seine spontane Einschätzung öffentlich revidieren. Diese Wende hatte er mit vorenthaltenen Informationen begründet.
Besonders der als ausgeklügelter Stratege bekannte Wichert unterstellte Guttenberg erstaunlich detailliert und sichtlich erfreut, dieser habe bei seiner schnellen Bewertung des Luftschlags kurz nach Amtsantritt gegen Wicherts und Schneiderhans fachlichen Rat und damit politisch falsch gehandelt. So habe der Staatssekretär den Neu-Minister durchaus auf kritische Punkte für die Bundeswehr in einem Bericht der Nato hingewiesen, diese solle Guttenberg bei seinem Statement besser beachten.
"Leider hat er sich an meinen Rat nicht gehalten", ätzte Wichert zweimal genüsslich. Er jedenfalls sei "schon sehr erstaunt" gewesen, als Guttenberg kurz nach seinem Amtsantritt zu einem eigenständigen Urteil über diesen komplizierten Angriff gekommen sei.

Auch bei einem zweiten Widerspruch zwischen den Aussagen von und den beiden Beamten bezüglich der Kündigung blieben die beiden Geschassten bei ihren Aussagen. Im Kern geht es dabei um die Frage, wer bei einem entscheidenden Gespräch im November 2009 über angeblich von den beiden zurückgehaltene Informationen im Ministerbüro anwesend war.
Trotz gegenteiliger Angaben von Guttenberg, seiner Büroleiterin und seinem damaligen Adjutanten beharrten Wichert und Schneiderhan darauf, dass der Adjutant nicht im Raum gewesen sei.
Bei den Aussagen zu dem Gespräch jedoch gaben sich Wichert und Schneiderhan am Mittwoch nicht mehr annähernd so sicher, dass der Adjutant Peter Braunstein nicht mit im Raum war. Unsicher, teilweise fast aggressiv, schilderte Schneiderhan, er könne sich partout nicht an den Oberst erinnern. "Ich habe ihn nicht registriert", sagte der sonst für seine Aufmerksamkeit bekannte Ex-Militär. Auch Wichert sagte über das Treffen, jeder Mensch könne irren, auch er. Gleichwohl sei es seine Erinnerung, dass "wir zu viert im Raum waren".
Chaos im Verteidigungsministerium
Mit den Aussagen der beiden Ex-Beamten ist der Ausschuss inhaltlich nicht weitergekommen. Plastisch wurde allerdings bei den Ausführungen von Schneiderhan, welches Chaos im Wehrressort unter der Leitung des früheren Ministers Franz-Josef Jung (CDU) herrschte, der die Führung den beiden mächtigen Ex-Beamten überlassen hatte. So wurden die Informationen über den Luftschlag in den ersten Stunden und Tagen überhaupt nicht koordiniert, der Minister selber wurde über die immer neuen Details offenbar gar nicht informiert - und wollte dies auch nicht.
Für die Opposition war der Mittwoch ein kleiner Erfolg. Die Vorladung der beiden Beamten diente, vor allem aus Sicht der SPD, einzig und allein dem Ziel, den beliebten Minister Guttenberg politisch zu beschädigen. Und so unterstellte die Opposition Guttenberg nach der Sitzung, die bis in den Abend andauerte, zwar keine Lügen mehr. Auch sein Rücktritt wurde nicht gefordert. Vielmehr war nun von politischen Fehlern des CSU-Politikers die Rede.
"Hoffentlich hat der Minister aus seinen Fehlern gelernt"
Omid Nouripour von den Grünen sagte, er hoffe, Guttenberg habe aus den Vorfällen "gelernt" und verlasse sich nunmehr stärker auf den fachlichen Rat aus seinem Haus. Auch SPD-Obmann Rainer Arnold sprach zwar von "voreiligen Entscheidungen", die nicht fundiert gewesen seien, politische Konsequenzen wollte er aber auch er nicht einfordern. Die Union spielte die Ergebnisse der Sitzung herunter. "Wir haben nicht sehr viel Neues erfahren", sagte CDU-Politiker Ernst-Reinhard Beck.
Der Untersuchungsausschuss befasst sich seit Anfang des Jahres mit dem von Bundeswehroberst Georg Klein befohlenen Luftangriff auf zwei von Taliban gekaperte Tanklaster in Afghanistan. Dabei wurden am 4. September 2009 nach jüngsten Erkenntnissen der Bundeswehr 91 Menschen getötet und 11 verletzt. Guttenberg war zum Zeitpunkt des Luftschlags noch nicht Verteidigungsminister, aber unmittelbar nach seinem Amtsantritt mit der Bewertung und Aufarbeitung befasst. Kurz nach Amtsantritt hatte er Schneiderhan und Wichert gefeuert.
Wie es im Ausschuss über die Kunduz-Affäre weitergeht, muss in den nächsten Tagen entschieden werden. Die Regierungsparteien würden die Untersuchungen gern beenden, die Opposition hingegen hat kürzlich noch eine lange Zeugenliste vorgelegt. So will die Linke-Fraktion in den kommenden Wochen erstmals einen der wenigen Augenzeugen des Luftschlags, den Fahrer einen der beiden entführten LKW, vor dem Ausschuss hören. Der Afghane hat kürzlich über deutsche Anwälte eine Klage auf Schadensersatz beim Landgericht Bonn eingereicht.
Der größte Streitpunkt bleibt, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aussagen muss. Die Union würde einen solch politisch heiklen Auftritt, der zur Aufklärung der Frage, wer in der Regierung wann was gewusst hat, durchaus interessant wäre, mit allen Mitteln verhindern. Hinter den Kulissen drohen die Unions-Mitglieder des Gremiums deswegen immer wieder, im Fall einer Merkel-Vorladung auch den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier von der SPD vor den Ausschuss zu zwingen.
Was ist aus den Akteuren der geworden? Wie geht es Oberst Klein heute, was berichten die Opfer des Bombardements? SPIEGEL ONLINE hat die Geschichten der Protagonisten rekonstruiert und analysiert die Folgen eines deutschen Verbrechens, das so schnell nicht vergessen sein wird: