SPIEGEL TV

Kunduz-Affäre Guttenberg rechnet mit seinen Gegnern ab

Verteidigungsminister Guttenberg geht in die Offensive: Im Bundestag warf der CSU-Politiker der Opposition bei der Aufklärung der Kunduz-Affäre schlechten Stil vor - und kritisierte die gefeuerten Spitzenbeamten Schneiderhan und Wichert. Die SPD lästert über den "Minister der Selbstverteidigung".

Berlin - Verteidigungsminister Guttenberg hat im Bundestag mit der Opposition abgerechnet: Der "Welle der Empörung" über den Luftangriff bei Kunduz fehle nicht nur eine Grundlage, einigen Abgeordneten fehle es zudem an "hohem Anstandsempfinden", sagte der CSU-Politiker am Mittwoch im Bundestag in Berlin. Es sei an der Zeit, die Lage in Afghanistan anhand der Realitäten zu diskutieren. Die Opposition müsse sich davor hüten, die gebotene Aufklärung im Untersuchungsausschuss "nahe am Klamauk" zu führen.

Wie könne man an einem solchen Tag "mit solchem Gebrüll" ankommen, wetterte Guttenberg. In Afghanistan sei ein Soldat schwer verletzt worden - und die Opposition ziehe "lediglich innenpolitische Gefechte" ab. Wenn bei der Opposition nur "wüstes Geschrei" ausbreche, werde sie ihrer Verantwortung vor den Soldaten nicht gerecht.

Guttenberg erneuerte zugleich seine Kritik an den beiden entlassenen Spitzenbeamten des Verteidigungsministeriums, Wolfgang Schneiderhan und Peter Wichert. Ihm seien nach Amtsantritt "Dokumente, Berichte und Informationen vorenthalten" worden. "Das ist unbestritten", sagte der Minister. Dafür habe der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Schneiderhan, die Verantwortung übernommen. Auf weitere öffentliche Diskussionen wolle er sich nicht einlassen.

Die Opposition feixte nach dem Auftritt Guttenbergs: "Wir haben hier nicht den Verteidigungsminister gehört, sondern den Minister der Selbstverteidigung", sagte der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold. Auch Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier attackierte Guttenberg: "Sie sind am 6. November, um der Truppe zu gefallen, über die kritischen Stimmen in diesem Bericht hinweggegangen, und als der Wind ihnen dann im Gesicht stand, haben Sie forsch das Gegenteil vertreten."

In der "Zeit" hatte Schneiderhan Guttenberg zuvor vorgeworfen , die Unwahrheit zu sagen. Der Vier-Sterne-General wird folgendermaßen zitiert: "Was diesen 25. nachmittags angeht, sagt er die Unwahrheit." Guttenberg lässt den Verlauf dieses Spätherbsttags bisher so darstellen: Nachdem die "Bild"-Zeitung den Minister am 25. November auf ihm bisher nicht bekannte Berichte zu dem fatalen Tanklaster-Angriff angesprochen hatte, bat er Schneiderhan und den damaligen Staatssekretär Wichert in sein Büro. Dann fragte er seine zwei Top-Leute mehrfach nach diesen Berichten, deren Existenz sie abstritten. Als Konsequenz aus diesem Vertrauensmissbrauch war für Guttenberg die Trennung von beiden zwingend. "Das 'Vorenthalten' von Dokumenten, die ich als wesentlich erachte, ist Grund genug", sagte er dazu am Montagabend in der ARD-Sendung "Beckmann".

"Das finde ich inzwischen ehrenrührig"

Ja, sagt Schneiderhan, er übernehme die Verantwortung dafür, dass dem Minister nicht alle Berichte über den Raketenangriff vorgelegen hätten. Dafür hätte man ihn gegebenenfalls in den einstweiligen Ruhestand versetzen können, findet er. Aber dann widerspricht Schneiderhan seinem Ex-Chef in einem zentralen Punkt: Er habe dem Minister gegenüber die Existenz der Berichte nicht geleugnet. "Das finde ich inzwischen ehrenrührig", sagt Schneiderhan. "'Unterschlagen' hat für mich den Geschmack des Vorsatzes. Und es gab keinen Vorsatz."

Schneiderhan scheint sich seine Wortwahl gut überlegt zu haben. Denn juristisch gibt es - anders als im normalen Sprachgebrauch - einen Unterschied zwischen Unwahrheit und Lüge. Hätte der Ex-Generalinspekteur letzteres verwendet, würde er dem Minister tatsächlich einen Vorsatz unterstellen.

Lüge oder Unwahrheit - der öffentliche Widerspruch seines ehemaligen höchsten Militärs stellt einmal mehr die Glaubwürdigkeit des Verteidigungsministers in Frage. Denn auf die Widersprüche Guttenbergs in der Kunduz-Affäre stützt die Opposition ihre Vorwürfe - und rechtfertigt damit den Untersuchungsausschuss. Vor allem wegen der Kehrtwende, die Guttenberg in der Einschätzung des Luftschlags vollzog.

als/flo/ddp
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten