Kunduz-Anschlag Soldatengewerkschaft stellt Afghanistan-Einsatz in Frage
Berlin - Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, hat nach dem tödlichen Anschlag auf deutsche Soldaten in Kunduz gefordert, den Sinn des militärischen Engagements in Afghanistan neu zu diskutieren. "Der Vorfall ist geeignet, auch in Deutschland eine Diskussion darüber zu führen, ob die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens den eigenen Soldaten noch vermittelt werden kann und ob man es weiter verantworten kann, dass sie für eine Sache, deren Ausgang zweifelhaft ist, ihr Leben riskieren", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung".
Wenn es keine "radikale Änderung der Gesamtstrategie gibt, dann laufen wir Gefahr, in Afghanistan zu scheitern", sagte Gertz weiter. "Außer der Tatsache, dass Wahlen durchgeführt worden sind, hat man kein wesentliches Ziel erreicht." Er gehe nicht so weit, einen Abzug der Soldaten zu fordern, meinte Gertz. "Das wäre sicherlich ein Kurzschluss, der so nicht zulässig ist. Aber die Diskussion muss geführt werden. Man muss die Sinnfrage nach dem Einsatz in Afghanistan noch deutlicher stellen - so deutlich, dass sie nicht mehr überhört wird."
Der Bundeswehrverband ist eine Art Gewerkschaft für Soldaten. Bei dem Selbstmordanschlag gestern in der afghanischen Stadt Kunduz waren drei deutsche Soldaten getötet und fünf weitere verletzt worden.
Vier der Verletzten sind heute Abend an Bord eines Lazarett-Flugzeugs der Bundesluftwaffe nach Deutschland zurückgekehrt.
Die Maschine landete auf dem Militärflughafen Köln-Wahn. Ein fünfter Soldat wurde nach Angaben aus medizinischen Kreisen der Bundeswehr so schwer verletzt, dass die Ärzte einen Transport noch nicht riskieren wollten.
Die in Afghanistan getöteten Bundeswehr-Soldaten sollen voraussichtlich am Mittwoch nach Deutschland übergeführt werden. Es werde einen Trauergottesdienst für die drei Soldaten geben, kündigte Verteidigungsminister Franz Josef Jung an
Auch in der SPD waren gestern Stimmen laut geworden, die den Einsatz in Frage stellen. Die Verteidigungsexperten der SPD-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Bartels und Jörn Thießen, riefen heute allerdings dazu auf, am Afghanistan-Einsatz insgesamt festzuhalten. "Wer jetzt das Ende des Einsatzes fordert, kommt genau dem nach, was die Terroristen wollen", sagte Bartels dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Der Bundestag muss im Herbst über die Verlängerung des Mandats entscheiden.
Bartels befürwortet aber einen Ausstieg der Bundeswehr aus der US-geführten Afghanistan-Mission "Operation Enduring Freedom (OEF)", in deren Rahmen das Kommando Spezialkräfte (KSK) in ganz Afghanistan tätig werden kann. "Es zeichnet sich ab, dass man den Afghanistan-Teil von OEF auslaufen lassen wird", erklärte er. Im Rahmen von OEF übernehme Deutschland in Afghanistan "Verantwortung für etwas, das es politisch nicht beeinflussen kann". Auch Thießen sagte: "Wir werden OEF nicht verlängern. Das KSK kann im Rahmen von Isaf nach Afghanistan gehen. Es wird ein verändertes Isaf-Mandat geben."
kai/wal/AP/dpa/ddp/Reuters