Kunduz-Ausschuss Koalition verhindert Live-Aussage von Guttenberg

Kuriose Ablehnung: Obwohl Verteidigungsminister zu Guttenberg seine Aussage zur Kunduz-Affäre für eine Fernsehübertragung freigeben wollte, verhinderte die Koalition dies mit ihrer Mehrheit. Union und FDP wollen damit ihre Regierungschefin schützen.
Verteidigungsminister zu Guttenberg: Keine Aussage vor laufenden Kameras

Verteidigungsminister zu Guttenberg: Keine Aussage vor laufenden Kameras

Foto: THIBAULT CAMUS/ AP

Kunduz-Affäre

Karl Theodor zu Guttenberg

Berlin - Der Untersuchungsausschuss zur hat eine Live-Übertragung der Aussage von Verteidigungsminister (CSU) am 22. April abgelehnt. In der Beratungssitzung am heutigen Mittwoch wurde die Übertragung, welche bereits bei anderen Untersuchungsausschüssen genehmigt worden war, nach Angaben von Ausschussmitgliedern mit der Mehrheit der Regierungsparteien im Ausschuss abgeschmettert.

Guttenberg selbst hatte einer Live-Übertragung ausdrücklich zugestimmt. Aus seiner Sicht böte dies eine bessere Chance, sich gegen vorgebrachte Vorwürfe zu verteidigen, da seine Aussage nicht nur durch anwesende Reporter beschrieben werden würde. Mit seinem Ja zu seiner Aussage vor laufenden Kameras hatte Guttenberg auf einen Antrag des TV-Senders Phoenix reagiert, die Vernehmung des Ministers zu übertragen.

Für eine Live-Übertragung wäre neben der Zustimmung Guttenbergs noch ein Ausschussbeschluss mit Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen. Nach Meinung von Beobachtern will die Koalition mit der Ablehnung nicht Guttenberg, sondern die Kanzlerin schützen. Sie muss vermutlich im Mai vor dem Ausschuss aussagen.

Die Programmgeschäftsführung des Senders Phoenix kritisierte die Ablehnung der Live-Übertragung. Damit werde der Öffentlichkeit ein wichtiger und vor allem spannender Teil der parlamentarischen Arbeit bewusst vorenthalten, hieß es in einer Mitteilung. "Dies steht im deutlichen Widerspruch zu der von Bundestagspräsident Norbert Lammert in jüngster Zeit wiederholt geforderten stärkeren öffentlichen Beachtung der Parlamentsarbeit und konterkariert den Anspruch des Parlaments nach breiterer Wahrnehmung."

Joschka Fischer

Dass Live-Übertragungen aus Untersuchungsausschüssen des Bundestags möglich sind, zeigte sich bereits vor fünf Jahren. Erstmals wurde davon unter Rot-Grün im Frühjahr 2005 Gebrauch gemacht - als sich der damalige Außenminister und andere Beteiligte in der sogenannten Visa-Affäre den Fragen stellen mussten. Der Infokanal Phoenix sendete damals zwölf Stunden lang live und erreichte Rekordeinschaltquoten. .

Otto Schily

Auch Bundesinnenminister sagte später im Visa-Untersuchungsausschuss vor laufenden Kameras aus. Fischer und Schily nutzten damals die öffentliche Bühne geschickt, um ihre Sicht der Dinge darzulegen.

Der Kunduz-Ausschuss soll die Hintergründe der Bombardierung zweier von den Taliban gekaperter Tanklaster in Nord-Afghanistan aufklären. Bei dem Luftschlag waren am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden.

Merkel gerät in Kunduz-Affäre in Bedrängnis

Angela Merkel

Die Untersuchung hat für die Koalition neue Brisanz erhalten. Denn erstmals ist auch Kanzlerin in der Affäre unter Druck geraten. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE hatte das Bundeskanzleramt schon wenige Stunden nach dem tödlichen Bombardement von Kundus am 4. September konkrete Hinweise auf zivile Opfer. Demnach ging an dem Morgen um 8.06 Uhr deutscher Zeit eine E-Mail mit entsprechenden Informationen des Bundesnachrichtendienstes an leitende Beamte im Kanzleramt.

Guttenberg steht nach der Aussage zweier von ihm entlassener Spitzenleute unter Druck. Nach einer ausführlichen Befragung des früheren Bundeswehr-Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan und von Ex-Staatssekretär Peter Wichert im Untersuchungsausschuss wertete die Opposition deren Aussagen als schwere Belastung für den Minister.

Denn Guttenberg hatte die Bombardierung ursprünglich als angemessen bewertet, später aber seine Einschätzung geändert. Dies begründete er damit, dass ihm Berichte vorenthalten worden seien. Dafür verantwortlich seien Wichert und Schneiderhan. Beide Männer bestreiten aber die Vorwürfe. Viel hängt jetzt davon ab, ob Guttenberg bei seinem eigenen Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss überzeugen kann.

mgb/mmq
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