Länger arbeiten, weniger Rente "Ein sozialpolitischer Amoklauf"
Berlin/Hamburg - Die CSU bezeichnete den Vorschlag zu einer Besteuerung der Rente am Wochenende als "ärgerlich" und als einen "verfrühten Aprilscherz". SPD und Grüne warfen Merz vor, er verunsichere die Rentner. Von Gewerkschaftsseite wurde eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit strikt abgelehnt. Die Bundesversicherungsanstalt BfA kritisierte die Überlegungen zur Renten-Besteuerung als "nicht durchdacht". Unterstützung fand Merz hingegen beim stellvertretenden Vorsitzenden seiner Partei, Christian Wulff.
Merz hatte vorgeschlagen, die Renten entsprechend den Beamtenpensionen voll zu besteuern, um die nach seiner Auffassung ungerechte unterschiedliche Besteuerung von Renten und Beamtenpensionen zu beenden. Regierung und Bundestag müssten damit rechnen, dass die Karlsruher Richter die bisherige Praxis für verfassungswidrig erklärten, nachdem sie bereits 1980 und 1992 Änderungen gefordert hätten. Bereits am vergangenen Wochenende hatte der Unionsfraktions-Vorsitzende vor einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit gewarnt. Die junge Generation müsse damit rechnen, bis zum Alter von 70 Jahren zu arbeiten, ehe sie in Rente gehen könne.
Der stellvertretende Unionsfraktions-Chef Horst Seehofer (CSU) sagte im InfoRadio Berlin-Brandenburg, seine Partei halte nichts davon, "dass wir die Rentner jetzt noch mit einer Steuer belasten. Was wir brauchen ist eine Steuerentlastungs- und keine Steuerbelastungs-Diskussion." Zuvor hatte CSU-Generalsekretär Thomas Goppel den Vorstoß von Merz bereits als verfrühten Aprilscherz auf Kosten der Rentner abgelehnt. "Es ist nicht Aufgabe der Opposition, über neue Belastungen nachzudenken", sagte Goppel.
Der Vorstandsvorsitzender der BfA, Lutz Freitag, sagte dem "Münchner Merkur", die volle Rentenbesteuerung hätte zur Folge, "dass die Beiträge, die für die Rentenversicherung gezahlt werden, völlig von der Steuer freigestellt werden müssen. Denn es geht ja nicht, dass zwei Mal versteuert wird".
Dagegen verteidigte CDU-Bundesvize Wulff, der im CDU-Vorstand für Sozialpolitik zuständig ist, die Überlegungen Merz: "Das, was man heute von der Steuer abziehen kann, muss später als Rückfluss besteuert werden. Das ist der einfache Grundgedanke". Wulff sagte der Hannoverschen "Neuen Presse", Rentenversicherungsbeiträge und private Leistungen zur Altersversorgung müssten steuerlich stark begünstigt werden.
Zwickel: "Blanker Unsinn!"
Als "blanken Unsinn" und "aberwitzige Idee" bezeichneten der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dieter Schulte, sowie IG-Metall-Chef Klaus Zwickel Merz Vorschläge zu einer verlängerten Lebensarbeitszeit. Nötig seien kürzere Arbeitszeiten, damit Arbeitslose eine Chance bekämen, sagte Schulte. Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Ottmar Schreiner, nannte die Debatte gar einen sozialpolitischen Amoklauf.
Kritik kam auch von der FDP. Generalsekretär Guido Westerwelle sagte: "Anstatt die Lebenarbeitszeit im Alter zu verlängern, sollte das Berufseintrittsalter sinken." Die deutschen Hochschulabsolventen seien mit durchschnittlich 28,6 Jahren zu alt.
Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, sowie der rheinland-pfälzische Sozialminister Florian Gerster (SPD) sprachen sich für mehr Flexibilität aus. Hundt wies außerdem darauf hin, dass das tatsächliche Renteneintrittsalter heute unter 60 Jahren liege.