- • Analyse zu Landtagswahlen: Erleichtert über einen Schock
- • AfD-Erfolg bei Landtagswahlen: Höhenflügel
Wenn man den ersten Reaktionen glauben darf, gibt es bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen keine wirklichen Gewinner. In beiden Ländern erzielte die AfD zwar die mit Abstand größten Zuwächse, in Sachsen fuhr sie sogar das beste Ergebnis ihrer noch jungen Geschichte ein. Trotzdem gelang es den Rechtspopulisten nicht, stärkste Kraft zu werden.
Sowohl der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) als auch sein Brandenburger Amtskollege Dietmar Woidke (SPD) holten mit ihren Parteien jeweils die meisten Stimmen und haben erneut den Auftrag zur Regierungsbildung. Entsprechend wurden Kretschmer und Woidke von ihren Parteien gefeiert, obwohl ihre bisherigen Koalitionen abgewählt wurden. Für tragfähige Mehrheiten brauchen beide neue Partner.
"Neue Ost-West-Spaltung"
Weltweit sorgen die Wahlergebnisse für sehr unterschiedliche Reaktionen. "Deutsche Wahlen offenbaren und vertiefen die neue Ost-West-Spaltung", heißt es in der "New York Times". Die italienische "Repubblica" sieht in den Ergebnissen einen "Schock, aber nicht das Erdbeben, das alle fürchteten".
Laut der polnischen "Rzeczpospolita" zeigt das Ergebnis, "dass die Kräfte Mitte-Rechts und Mitte-Links trotz sinkender Popularität an der Spitze bleiben werden". Der italienische "Corriere della sera" schreibt dagegen ebenso vom "Höhenflug der Ultrarechten" wie "Le Monde" aus Frankreich, für die das Ergebnis ein "starker Erfolg der extremen Rechten" ist.
Im Video: "Das freundliche Sachsen hat gewonnen"
Während die spanische "El País" schreibt, CDU und SPD könnten "im Osten den Aufstieg der Ultrarechten aufhalten", sieht "De Telegraaf" aus den Niederlanden in den Wahlergebnissen eine "doppelte Ohrfeige für die instabile deutsche Koalition".
"Paradoxe Erleichterung"
In Österreich schreibt "Der Standard" von "viel Frust im Osten", relativiert mit Blick auf die AfD aber auch: "Richtig - viele Menschen haben die Partei gewählt. Die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler aber tat dies nicht."
Und in der dänischen "Politiken" heißt es: "Zwei deutsche Wahlniederlagen lösen paradoxe Erleichterung aus. Die konservative CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel und die SPD erlitten in zwei ostdeutschen Bundesländern deutliche Niederlagen, umgingen aber die große Katastrophe."
Ähnlich formuliert es die "Washington Post": "Deutschlands extrem rechte Partei hat am Sonntag in zwei der östlichen Bundesländer bedeutende Gewinne erzielt, hat es aber nicht geschafft, die etablierten Parteien zu überholen und die meisten Stimmen zu bekommen."
So sieht der weitere Fahrplan für die Parteien aus
Wie geht es in Sachsen und Brandenburg nun weiter? Am Montag beginnen die Vorbereitungen der Sondierungsgespräche. Während in Brandenburg alles auf eine rot-rot-grüne Regierung hinausläuft, wird die CDU in Sachsen für eine mögliche Kenia-Koalition mit den ungeliebten Grünen sprechen müssen. Die Zusammenarbeit mit der AfD schlossen Kretschmer und Woidke kategorisch aus.
Parallel zu den landespolitischen Folgen werden in Berlin die Bundesparteien Stellung zu den Wahlergebnissen nehmen. Für 10.20 Uhr ist eine gemeinsame Erklärung von Woidke und der kommissarischen SPD-Vorsitzenden Manuela Schwesig angekündigt. Um 13.30 Uhr tritt Kretschmer an der Seite von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer vor die Presse. AfD (9.30 Uhr), FDP (10.30 Uhr), die Linke (12.30 Uhr) und die Grünen (13.30 Uhr) äußern sich jeweils in der Bundespressekonferenz.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Die CDU hat es doch noch mal in Sachsen geschafft: Zeitweise sah es im Wahlkampf so aus, als ob sie den Spitzenplatz bei der Wahl an die AfD abgeben müsste. Nach den abendlichen Hochrechnungen liegt die Partei vom bisherigen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) mit mehr als 30 Prozent ein paar Prozentpunkte vor der AfD. Doch wie geht es weiter?
Das dürfte sich auch Kretschmer fragen: Denn der Koalitionspartner SPD ist noch weiter abgerutscht. Auch die CDU selbst büßte mehrere Prozentpunkte ein. Ein Bündnis von CDU und SPD dürfte in Sachsen keine Mehrheit mehr haben.
Das weiß auch der sächsische SPD-Spitzenkandidat und Vizeministerpräsident Martin Dulig. CDU und SPD, sofern sie denn zusammenarbeiteten, bräuchten einen dritten Bündnispartner.
Einen herben Rückschlag muss auch die Linke hinnehmen: Sie fällt von 18 Prozent auf 10. Die Ernüchterung ist der Landesvorsitzenden Antje Feiks (l.) deutlich anzusehen.
Ob die Grünen da mitmachen? Sie sind sicherlich eine Option. Sie können im Gegensatz zu vielen anderen Parteien in Sachsen Zugewinne verbuchen, landen aktuell bei 8,3 Prozent. Die Freude bei den Grünen-Spitzenkandidaten Wolfram Günther und Katja Meier ist jedenfalls groß.
Bonjour Tristesse: Die FDP um Spitzenkandidat Holger Zastrow legt zwar dezent zu, dürfte den Sprung in den Landtag aber wohl verpassen.
Die AfD fährt dagegen starke Zugewinne ein, landet bei knapp 28 Prozent. Im Bild: Spitzenkandidat Jörg Urban.
Auch in Brandenburg konnte die Partei von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sich knapp als stärkste Kraft behaupten. Sie büßte aber mehrere Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren ein.
In Brandenburg fällt die Linke so wie in Sachsen tief: Sie erhält nur noch etwa zehn Prozent, 2014 waren es noch 18. Im Bild sind die Landesvorsitzenden Diana Golze (l.) und Anja Mayer (M.) zu sehen.
Die AfD legte dagegen mehr als zehn Prozentpunkte zu und ist mit 23 Prozent zweitstärkste Kraft. Im Bild: Spitzenkandidat Andreas Kalbitz.
Wie in Sachsen auch können sich die Grünen in Brandenburg über Zugewinne freuen: Ursula Nonnemacher (r.) und Benjamin Raschke waren als Spitzenkandidaten angetreten.
Für die FDP und Spitzenkandidat Hans-Peter Goetz dürfte es mit einem Einzug schwierig werden.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden