Langzeitarbeitslose BA-Vorstand fordert dauerhafte Lohnzuschüsse
Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland sinkt, doch was geschieht mit den Schwervermittelbaren? Heinrich Alt, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, plädiert für dauerhafte Lohnzuschüsse nach schwedischem Vorbild. Maßnahmen wie Ein-Euro-Jobs hätten nicht funktioniert.
Berlin - "All die vielen Programme, von ABM bis zum Ein-Euro-Job, haben dauerhaft nicht die gewünschte Wirkung gezeigt", sagte Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA) in einem Interview mit der "Berliner Zeitung". "Wir müssen darauf hinarbeiten, dass auch Menschen mit größeren Vermittlungshemmnissen eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt erhalten."
Zwar sinke die Zahl der Erwerbslosen seit nunmehr zwei Jahren stetig, doch gebe es weiterhin knapp eine Million Menschen, die seit mehr als zwölf Monaten ohne Arbeit seien und als schwer vermittelbar gelten. "Sie sind oft ohne Schulabschluss und Berufsausbildung, sie sind über 50 Jahre oder alleinerziehend". Das gelte vor allem auch "für jene 400.000 Arbeitslose, die in ihrem Leben noch nie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben".
Die Dauerarbeitslosen sollen nach Alts Meinung jedoch nicht, wie in Holland oder England üblich, als arbeitsunfähig deklariert und in der Renten- und Krankenversicherung "versteckt" werden, vielmehr plädiert der BA-Vorstand für eine vom Bund finanzierte Lohnzuschuss-Regelung etwa nach schwedischem Vorbild. "Denkbar wäre zum Beispiel, wie es bei Schwerbehinderten heute schon möglich ist, ihnen notfalls dauerhaft Zuschüsse zu gewähren, um ihre objektiv eingeschränkte Produktivität auszugleichen. Eingliederungszuschüsse sind in der Regel sehr erfolgreich, 70 Prozent der geförderten Beschäftigten werden anschließend fest übernommen", so Alt.
Die Langzeitarbeitslosen aufzugeben, komme für die Bundesagentur nicht in Frage: "Wir wollen diesen Menschen signalisieren: Wir haben dich nicht aufgegeben; du kannst es schaffen, mit unserer Hilfe und eigener Anstrengung", sagte der BA-Chef. "Nur die allerwenigsten fühlen sich in der viel beschworenen Hängematte wohl", es sei "eine Frage der Selbstachtung, nicht von staatlichen Transfers abhängig zu sein", sagte Alt der "Berliner Zeitung".
Das gelte auch für Migranten, die Alt nicht als besonders benachteiligt auf dem deutschen Arbeitsmarkt sieht: "Mein Eindruck ist, dass allein das Merkmal Migrant inzwischen keine Einstellungshürde mehr ist. Entscheidend sind Bildungsabschlüsse, Sprachkompetenz, fachliche Qualifikation." In vielen Fällen, so Alt, könne ein Migrationshintergrund sogar von Vorteil sein. Ein Handwerksbetrieb etwa könne davon profitieren, wenn ein Mitarbeiter Türkisch spricht und sich mit Gepflogenheiten und Bräuchen fremder Kulturen auskennt. "Solches Wissen benötigen wir auch in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Schulen, Kitas und Behörden. Interkulturelle Kompetenz ist ein Wettbewerbsvorteil, kein Manko", sagte Alt.
Für das kommende Jahr prognostiziert die Bundesagentur eine leichte Zunahme der Arbeitslosigkeit. Trotzdem werde die Zahl der Erwerbstätigen eher noch um etwa 200.000 zulegen, hieß es in einem kürzlich veröffentlichten Bericht der BA. Das habe auch damit zu tun, dass aufgrund von Zuwanderung in diesem Jahr mit 45,18 Millionen Menschen dem Arbeitsmarkt so viele Kräfte zur Verfügung stünden wie nie zuvor. Im kommenden Jahr werde das Arbeitskräftepotential jedoch wieder sinken. "Wir schätzen, dass sich die Arbeitslosigkeit weiter auf dem bisherigen Niveau bewegt, also in einem Korridor von 2,8 bis 2,9 Millionen", sagte BA-Leiter Frank-Jürgen Weise der Tageszeitung "Die Welt" Anfang September, allerdings unter Vorbehalt der Konjunktur. Breche die ein, so Weise, müsse man diese Prognose vielleicht revidieren.
bor