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Wagenknecht bei Lanz: Linke Mär von der "bösen bürgerlichen Presse"

Foto: NDR/ Wolfgang Borrs

Linkspartei und die Medien Die Legende von Markus und Sahra

Die Empörung über Markus Lanz kommt der Linkspartei gerade recht. Die Genossen fühlen sich permanent von Journalisten benachteiligt. Dabei beherrscht kaum ein Politiker das Spiel mit den Medien besser als Sahra Wagenknecht.

Hamburg - Eine schöne Begleiterscheinung der Aufregung um Markus Lanz und Sahra Wagenknecht sind tiefe Einblicke in die linke Seele. Die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel, Wahlkreis Tübingen, teilt mit: "Lanz raus aus den öffentlich-rechtlichen Sendern!!!" Der Moderator habe "vor den Wahlen jede Woche FDP-Politiker zu Gast gehabt, die sich ohne kritische Fragen verbreiten konnten, während er sich auf billige und feige Weise an linken PolitikerInnen abarbeitet".

Die Stellungnahme ihres Kollegen Niema Movassat zu Lanz lautet: "Sowas gehört nicht in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk!!!" Die Petition gegen den ZDF-Moderator, die gerade alle Rekorde bricht, stammt von einer ehemaligen Linken-Politikerin. Sie dürfte gewusst haben, auf welch fruchtbaren Boden ihr Anliegen nicht nur bei den Dauerempörten im Netz, sondern auch in der Partei fällt.

"Böse bürgerliche Presse"

Die Linke sieht sich allzu gern als Opfer der Medien. Sie wittert Zensur, Kampagnen, Totschweigen ihrer Positionen. Und deshalb ist die Causa Lanz wie geschaffen für die Partei, in der gar eine eigene Abkürzung für die ungerechten Medien kursiert. Von der "bbP" ist immer dann die Rede, wenn die Genossen zu den Gemeinheiten der "bösen bürgerlichen Presse" nicht länger schweigen wollen. Das gilt bei Teilen der Basis ebenso wie unter Abgeordneten. Wären doch alle nur so gerecht wie das "Neue Deutschland"!

"Unsere inhaltlichen Vorschläge werden vielfach ignoriert oder bösartig karikiert. (…) Tatsache ist, dass es immer noch eine mediale Phobie gegen die Linke gibt."
(Gregor Gysi im "Neuen Deutschland", 2009)

"Die großen Medienkonzerne bekämpfen linke Politik. Gelingt dies nicht, versuchen die Massenmedien auf die Willensbildung linker Parteien Einfluss zu nehmen."
(Vom Bundesausschuss 2011 beschlossenes Papier "Fair Play")

2012 wetterten die Abgeordneten Wolfgang Gehrcke und Diether Dehm mal wieder gegen die "feindseligen Konzernmedien" und deren "Schreibagenten". Was liegt näher, als in der Causa Lanz auf dieses Weltbild zurückzugreifen? Hier die aufrechten Linken, dort der böse bürgerlich-mediale Komplex. Nur hat es wenig mit der Realität zu tun. Kein Fall zeigt das besser als der Sahra Wagenknechts.

Auf Angriffe weiß sie zu reagieren

Wagenknecht ist, Lanz hin oder her, ein Liebling des Fernsehens. Kein Politiker war in den vergangenen zwei Jahren öfter Gast in den großen Talkshows von ARD und ZDF . Neunmal trat die Linken-Vizechefin 2013 dort auf. Wagenknecht bei "Markus Lanz" , Wagenknecht bei "hart aber fair", Wagenknecht als einer der "Menschen bei Maischberger".

Die Talkmaster haben sie gern dabei, weil sie klare, kontroverse Positionen vertritt und scharf argumentiert. Die eher lahmen Runden profitieren davon. Zwar wurde sie wiederholt auf ihr Aussehen reduziert - "Stern"-Journalist Hans-Ulrich Jörges trat nun in einem Video zur Lanz-Sendung noch einmal nach . Meist wird sie jedoch wegen ihrer dunkelroten Vergangenheit angegriffen. Auf beides weiß sie zu reagieren.

Angriffe lässt sie abprallen, sie sitzt dann stoisch, mit aufrechter Haltung in der Runde, argumentiert in der Sache. Sie kämpft mit strenger Art ihren aufrechten Kampf, so die Symbolik. In dieser Hinsicht macht sie eine gute Figur.

Das weiß sie selbst. In einem Interview brachte sie Medienkritik und -nutzen auf einen Punkt: "Viele lehnen uns ab, weil sie glauben, was die Medien berichten", sagte sie. "In einer Talkshow kann ich ohne Filter argumentieren - soweit ich zu Wort komme jedenfalls."

Nur Smalltalk kann sie nicht

Ihr Pressesprecher Michael Schlick, der sie zum Lanz-Auftritt begleitete, sagt: "Die meisten Medien sind ihr gegenüber offener geworden. Ärgerlich wird es nur, wenn manche sie weiterhin als Kommunistin oder Radikale bezeichnen, das regt sie auf." Doch auch dann weiß sie sich zu wehren: Als ein Talkgast bei "hart aber fair" sie als "Neo-Stalinistin" bezeichnete, verklagte sie ihn, verlor aber vor Gericht.

Sie hat nur eine Schwäche: Sie kann - anders als der andere Medienstar der Partei, Gregor Gysi - keinen Smalltalk. Genau darum geht es aber bei Lanz. Vielleicht ist das auch schon die ganze Geschichte.

"Ich will nicht mit meiner Frisur Politik machen", sagte sie einst. Doch im September 2013 ließ sie sich in der "Gala" als Malerin Frida Kahlo inszenieren, mit Blumenkranz und Kurzhaarfrisur. Ein kalkulierter Ausflug in die Konsum- und Glitzerwelt. Kurz vor der Bundestagswahl konnte Sahra Kahlo ein Publikum erreichen, das der Linken-Politikerin Wagenknecht verschlossen blieb.

Verwerflich ist das nicht. Es gehört zum politischen Geschäft dazu, dessen Regeln sie beherrscht. Auch wenn viele nicht schlau werden aus Sahra Wagenknecht, eines kann man mit Sicherheit sagen: Sie ist kein Opfer eines Moderators vom Kaliber Markus Lanz.

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