Die EU will neue Regeln für das Internet aufstellen - was das bedeutet
Dieser Beitrag wurde am 15.02.2019 auf bento.de veröffentlicht.
Die Europäische Union will neue Regeln für das Internet aufstellen – und Deutschland ist ganz vorne mit dabei. Es geht dabei ums Urheberrecht. Axel Voss (CDU) hat am Mittwoch bekannt gegeben, dass die Unterhändler der EU-Länder sich vorläufig geeinigt haben. Danach trendete auf Twitter der Hashtag #niemehrCDU.
Wir haben darüber mit Julia Reda gesprochen. Die 32-Jährige erklärt, welche Änderungen die Reform des Urheberrechts beinhaltet und warum sich Kritiker auf Twitter von der CDU verraten fühlen.
Julia Reda ist Mitglied des Europäischen Parlaments, der Piraten-Partei und Vorsitzende der Young Pirates of Europe. Im EU-Parlament gehört sie der Fraktion der Grünen an. Dort und im Netz kämpft sie gegen Artikel 11 und Artikel 13 des neu geplanten Urheberrechts.
Was sich ändern soll: Die neue Richtlinie verpflichtet in Artikel 13 Plattformen wie YouTube künftig "alles ihnen Mögliche zu tun", um Urheberrechtsverletzungen auf ihren Seiten zu verhindern. Die großen Seiten wie Google und Facebook sollen endlich mehr gegen Rechtsverstöße tun – klingt erst einmal, wie eine gute Idee.
Julia Reda sieht das anders:
"Es wird immer behauptet, es gehe um die großen Plattformen, aber jegliche Versuche die kleinen Plattformen davon auszunehmen, wurden abgelehnt. Nach dem Text, der jetzt verabschiedet wurde, müsse aber jede kommerzielle Plattform, die älter als drei Jahre sei, Upload-Filter einsetzen. Das heißt, Artikel 13 kann auch kleine Diskussionsforen betreffen", sagt die 32-Jährige.
Das zweite Problem sei, dass von diesen Plattformen etwas verlangt wird, was technisch unmöglich ist. Nämlich, dass sie Urheberrechtsverletzungen erkennen, bevor sie passieren. Es sei völlig klar, dass die großen Plattformen das nur mit Upload-Filtern machen können.
Was ist so schlimm an Upload-Filtern?
"Upload-Filter werden technisch nie so funktionieren, wie sie sollten", sagt Julia Reda. Auch in zehn Jahren werde ein Algorithmus keinen Sinn für Humor haben, um zu erkennen, ob etwas eine Parodie ist oder nicht. "Das haben sich Leute ausgedacht, die die Technologie nicht verstanden haben und nicht auf dem Schirm haben, was für komplexe Entscheidungen, man beim Urheberrecht eigentlich treffen müsse."
"Deshalb finde ich den Begriff 'Zensur' durchaus angemessen in diesem Kontext", so die 32-Jährige. Upload-Filter ignorieren systematisch die Ausnahmen im Urheberrecht, die dort seien, um die Grundrechte zu schützen. Schutzvorkehrungen, die es gebe, damit Leute sich frei äußern können. "Wenn der Upload-Filter vom Staat verpflichtend gemacht wird, dann ist das eine Zensurmaschine", sagt die Politikerin.
Worüber regen sich die Menschen unter dem Hashtag #niemehrCDU auf?
Im Koalitionsvertrag, den die Union und SPD im vergangenen März geschlossen haben, heißt es: "Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern [...] lehnen wir als unverhältnismäßig ab." Dieses Versprechen scheint die Bundesregierung vergessen zu haben. Nun zählt Deutschland zu den Befürwortern der Reform und somit auch von Artikel 13 und den dadurch vorgeschriebenen Upload-Filtern.
"Gerade die CDU geführten Ministerien haben wohl großen Druck auf das SPD geführte Justizministerium ausgeübt, das für Urheberrecht zuständig ist", sagt Julia Reda. "Letzten Endes habe Justizministerin Katarina Barley im Rat den Upload-Filtern zugestimmt. Die Leute haben schon Recht, wenn sie jetzt trotzdem in erster Linie der CDU die Schuld geben, weil sie die treibende Kraft dahinter war. Aber ich finde auch, dass Frau Barley eine Mitverantwortung hat, weil sie den Koalitionsvertrag nicht durchgesetzt hat."
Was können einzelne Nutzerinnen und Nutzer jetzt konkret tun?
"Wir haben die Chance diese Reform im Europa Parlament noch zu stoppen", sagt Julia Reda. Die endgültige Abstimmung findet wahrscheinlich im April satt. Das bedeutet einen Monat vor der Europawahl. Sicherlich sei es gut, die Petition zu unterschreiben und auf die Straße zu gehen. "Aber wir müssen den Abgeordneten während ihres Wahlkampfs klar machen, dass das Thema Upload-Filter für junge Menschen wahlentscheidend ist", so die Politikerin
Leistungsschutzrecht
Das Leistungsschutzrecht ist eine Idee aus Deutschland: Firmen wie Google sollen dafür zahlen, dass sie kleine Auszüge aus Artikeln in ihren Produkten nutzen – zum Beispiel die Anzeige von Suchtreffern bei Google News. Das Gesetz existiert seit 2013 und sollte Verlage eigentlich an den Gewinnen von Techkonzernen beteiligen. Es ist gescheitert. Weil Google nicht zahlen will, geben die meisten Verlage ihre Inhalte nun freiwillig ohne Vergütung für die Suchmaschine frei.
Das Leistungsschutzrecht hat in Deutschland nicht funktioniert, jetzt kommt es für ganz Europa. Was wird da besser?
"Gar nichts, es wird noch schlimmer. Mit dem europäischen Leistungsschutzrecht müssen nicht nur kleine Suchmaschinen oder Startups das Leistungsschutzrecht befolgen, sondern alle Onlinedienste. Ich finde dafür gibt es überhaupt keinen Grund, nachdem das Leistungsschutzrecht in Deutschland den Verlagen nur Verluste eingebracht hat und Google weiter gestärkt hat", sagt die Politikerin.