"Leitkultur" Merz geht in die Offensive
Berlin - Der Streit in der Union über das Thema Einwanderung wird immer mehr zu einer Strategiedebatte. CDU-Chefin Angela Merkel warnte am Sonntag vor einer Personaldiskussion. Sie stellte klar, dass Fraktionschef Friedrich Merz bis zum Ende seiner Wahlperiode 2002 im Amt bleibe.
Merz ermunterte derweil seine internen Gegner, aus der Deckung zu kommen. "Ich selbst habe Auseinandersetzungen stets mit offenem Visier geführt und immer zuerst in der Fraktion." Der Christdemokrat wies Spekulationen zurück, es gebe einen Machtkampf in der Union.
Merz und die Vorsitzende der Jungen Union, Hildegard Müller, appellierten an ihre Partei, Debatten über Sachthemen nicht auf Personen zu fokussieren. "Das schadet der Sache mehr, als es ihr nutzt", sagte Merz dem Berliner "Tagesspiegel". Die Union stehe "nur wenig besser da" als am Anfang der Legislaturperiode. "Ich habe die Sorge, dass uns die Zeit davonläuft", meinte Merz mit Blick auf die Bundestagswahl in zwei Jahren.
Trotz scharfer Kritik verteidigte er seine Idee, die Einwanderungsdebatte 2002 eventuell zu einem Wahlkampfthema zu machen. CSU-Chef Edmund Stoiber bekundete Sympathie für die Idee. "Wir lassen uns von niemandem vorschreiben, welches Thema wir wann und wo diskutieren", erklärte zudem der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Christian Wulff.
Die Grünen hielten Merz hingegen eine rassistische Kampagne vor: "Mit dem Gefasel von der deutschen Leitkultur und der Ankündigung, an die Unterschriftenaktion gegen Ausländer anlässlich der Staatsbürgerschaftsreform anknüpfen zu wollen" habe Merz "die ersten Raketen einer ausländerfeindlichen Kampagne gezündet". In Zeiten zunehmender rechtsradikaler Gewalt sei dies besonders verantwortungslos, erklärte der Grünen-Politiker am Samstag in Berlin.
Führende Unionspolitiker bescheinigten Merz und Merkel zwar, ein gutes Tandem zu bilden. "Aber es muss halt noch ineinander greifen", sagte Wulff dem Fernsehsender N-tv. Er sprach sich für die Beibehaltung der Führungsstruktur der Union aus.
Nach Meinung des baden-württembergischen CDU-Fraktionsvorsitzenden Günther Oettinger begeht die Union den Fehler, sich in innerparteilichen Streitereien zu verzetteln. Er warnte in der Zeitung "Sonntag Aktuell" davor, das Thema Einwanderung "emotional aufzuladen".
CSU-Generalsekretär Thomas Goppel beklagte in der "Bild am Sonntag", die CDU-Führung könne der Öffentlichkeit kein geschlossenes Bild vermitteln, wenn "Einige quer schießen". Der bayerische Innenminister Günther Beckstein kritisierte in "Focus" die strategischen Fähigkeiten von Merz.
Stoiber verteidigte dagegen Merz. Der bayerische Ministerpräsident erklärte ebenso wie Merkel, es sei falsch, sich bereits jetzt auf die Wahlkampfthemen für 2002 festzulegen. Er warnte aber die Merz-Kritiker, "sich dem Willen der Bundesregierung zu beugen, möglichst wenig streitig zu diskutieren". Merkel betonte in der ARD, Merz werde nicht als Personalproblem betrachtet.