Leserreaktionen auf Kommentar "Wulff verdient kein Mitleid"

Am Donnerstag ist es so weit: Ex-Bundespräsident Wulff soll mit dem Großen Zapfenstreich verabschiedet werden. Ob es dann ruhiger wird um die Affäre des früheren Staatsoberhaupts? Ein SPIEGEL-ONLINE-Kommentar zu dem Thema löste kontroverse Reaktionen aus.
Ex-Bundespräsident Wulff: "Over the Rainbow" als Musikwunsch zum Großen Zapfenstreich

Ex-Bundespräsident Wulff: "Over the Rainbow" als Musikwunsch zum Großen Zapfenstreich

Foto: dapd

Hamburg - Der Große Zapfenstreich also. Mit dieser höchsten Form der militärischen Ehrerweisung soll der zurückgetretene Bundespräsident Christian Wulff am Donnerstag verabschiedet werden. Wulff wünsche sich unter anderem das Lied "Over the Rainbow", berichtete die Online-Seite der "Bild"-Zeitung am Dienstag. Der Song aus den dreißiger Jahren wurde von Judy Garland für den Film "Der Zauberer von Oz" gesungen und ist seitdem viele Male interpretiert worden. Auch Beethovens "Ode an die Freude" soll gespielt werden.

Kehrt Ruhe ein, wenn die letzten Takte gespielt sind? Wird nach dem Großen Zapfenstreich auch die Debatte über Wulff und seinen Ehrensold beendet sein? Wohl kaum, das zeigte zuletzt auch ein SPIEGEL-ONLINE-Kommentar mit der Überschrift "Genug ist genug", in dem der Autor argumentiert, dass der Streit unwürdig sei und beendet werden müsse.

Der Text hat heftige Reaktionen ausgelöst: Mehr als tausend Leser haben seit der Veröffentlichung am späten Montagnachmittag ihre Beiträge im SPIEGEL-ONLINE-Forum geposted, Hunderte Lesermails gingen ein. Sie reichen von eindeutiger Zustimmung bis hin zu entrüsteter Ablehnung. "Es war Zeit, diesen Artikel zu schreiben", heißt es etwa in einem Leserbrief. Nun sollten die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Wulff abgewartet werden, "wo bleibt das Menschliche in unserer Gesellschaft?"

Ein anderer Leser warnte davor, durch die anhaltende Debatte über Wulff auch das höchste Staatsamt zu beschädigen: "Wir können uns dem Amt des Bundespräsidenten gegenüber nicht respektlos verhalten." Der Ehrensold für einen Bundespräsidenten sei angemessen, "daran sollte auch in Zukunft nichts geändert werden". "Dieser Artikel spricht mir aus der Seele", schreibt ein User im Forum. Man solle nicht weiter nach jemandem treten, "der schon auf dem Boden liegt".

"Grotesk und nicht vermittelbar"

Viele Bürger sehen dies aber weiterhin anders. Sie halten es für nicht nachvollziehbar, dass Wulff nach einer wochenlangen Affäre, die zu seinem Rücktritt führte, einen Ehrensold erhalten soll. "Dass er für diese Verfehlungen nach nur eineinhalbjähriger Amtszeit nun noch mit alles in allem etwa einer halben Millionen Euro pro Jahr bis an sein Lebensende belohnt werden soll, ist grotesk und nicht vermittelbar", schreibt ein Leser.

Vielen Lesern geht es bei der Debatte um Wulffs Ehrensold nicht um die Frage, ob dem früheren Bundespräsidenten von Rechts wegen diese Leistungen zustehen - vielmehr geht es ihnen um die Frage von Anstand und Moral: "Wulff scheint im Laufe seiner Karriere alles mitgenommen zu haben, was ihm "zusteht", ohne ein Gefühl dafür entwickelt zu haben, ob ihm dies auch moralisch zusteht und ohne Gespür für die Bürger", schreibt ein Leser und fügt hinzu: "Hier geht es darum, dass ein Politiker jegliche Nähe zum Volk verloren hat."

"'Er verhält sich immer noch als maßloser Schnäppchen-Jäger"

Wulff sei zudem nicht aus politischen, sondern vielmehr aus privaten Gründen zurückgetreten, meint ein anderer - und allein deshalb stehe ihm der Ehrensold nicht zu: "Herr Wulff hat durch einen kleinen, aber feinen Trick den Ehrensold ergaunert, indem er behauptet, aus politischen Gründen zurückzutreten. Die letzte von wahrscheinlich mehreren Unaufrichtigkeiten, die ihn letztendlich das höchste Amt im Staat gekostet haben."

Ein anderer schreibt: "Mitleid mit Herrn Wulff? Er verhält sich leider immer noch als maßloser Schnäppchen-Jäger. Er verdient kein Mitleid." Ein weiterer Leser erklärte den SPIEGEL-ONLINE-Kommentar gar zu einer "Provokation der deutschen Steuerzahler und damit der Allgemeinheit".

Immer mehr Politiker fordern inzwischen eine Reform der Zusatzversorgung für Altbundespräsidenten. Zur Kostensenkung müsse die Nutzung eines eigenen Büros durch Ex-Bundespräsidenten streng geregelt werden, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete und Haushaltsexperte Jürgen Koppelin der "Bild"-Zeitung. Sie sollten ihr Büro künftig in Berlin haben, "am besten in Räumen des Deutschen Bundestags", forderte Koppelin. Damit sollten hohe Ausgaben für Büros in teuren Lagen anderer Städte verhindert werden.

Koppelin forderte zudem, ehemalige Bundespräsidenten sollten statt eigener Fahrer künftig die Fahrbereitschaft des Bundestages nutzen. Wulff war am 17. Februar nach Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsnahme von seinem Amt zurückgetreten. Laut Bundespräsidialamt hat er aber Anspruch auf den Ehrensold in Höhe von jährlich 199.000 Euro, weil sein Rücktritt aus "politischen Gründen" erfolgt sei. Zudem hat Wulff Anspruch auf Sach- und Personalkosten für ein Büro mit Sekretariat, persönlichem Referenten und auf einen eigenen Fahrer.

hen/AFP/dpa

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