Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung »Letzte Generation« ruft Unterstützer zur Selbstanzeige auf

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat die Klimaaktivisten der »Letzten Generation« im Verdacht, eine kriminelle Vereinigung zu bilden. Nun geht die Gruppe in die Offensive und ruft zur Selbstbezichtigung auf.
Aktivisten der »Letzten Generation« bei einer Straßenblockade: Onlineformular für Unterstützerinnen und Unterstützer vorbereitet

Aktivisten der »Letzten Generation« bei einer Straßenblockade: Onlineformular für Unterstützerinnen und Unterstützer vorbereitet

Foto: CHRISTIAN MANG / REUTERS

Die Klimaaktivisten der »Letzten Generation« rufen ihre Unterstützer dazu auf, sich massenhaft selbst bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin anzuzeigen. Diese hatte vor zwei Wochen die Wohnungen von elf Mitgliedern der Gruppe durchsuchen lassen, weil sie einen Anfangsverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung bejaht. Hintergrund sind offenbar vor allem Aktionen, bei denen im Frühjahr 2022 Ölpipelines abgedreht wurden.

Die Staatsanwaltschaft hatte mitgeteilt, beschuldigt werde eine »niedrige, zweistellige Anzahl von Personen«. Also längst nicht alle, die an Aktionen beteiligt sind.

Nun geht die Gruppe in die Offensive. Sie hat für alle Unterstützerinnen und Unterstützer eine E-Mail vorbereitet und auch ein Onlineformular vorbereitet, über das die Selbstanzeige direkt verschickt werden kann. Die Mail trägt den Betreff: »Selbstanzeige für § 129 kriminelle Vereinigung, Aktenzeichen 326 Js 14549/22«.

Im Text heißt es dann: »Ich sehe mich als Mitglied und Unterstützer:in der ›Letzten Generation‹ und möchte daher, dass Sie mich in Ihre Prüfungen einbeziehen.« Und weiter: »Nach meinem Rechtsverständnis erfüllt die ›Letzte Generation‹ die rechtlichen Anforderungen zur kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB nicht. Dennoch lade ich Sie ein, gegen mich zu ermitteln, um das gerichtlich prüfen zu können.«

In die Offensive kommen

Auf der Seite wird darüber informiert, eine Selbstanzeige sei »nicht ohne Risiko«, schon ein Ermittlungsverfahren könne »unangenehme Konsequenzen, wie zum Beispiel Hausdurchsuchungen mit sich bringen«. Dann folgt die Anregung: »Wenn du dir vorstellen kannst, mit uns gemeinsam das Risiko der Kriminalisierung einzugehen, im verzweifelten Versuch, unsere Lebensgrundlagen zu schützen, dann bekenne dich zu deiner Unterstützung, indem du dich selbst anzeigst!«

In Kreisen der Aktivistinnen und Aktivisten sieht man in den Hausdurchsuchungen und dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung einen Einschüchterungsversuch. Auf der Website heißt es: »Es ist unser bester Schutz, transparent und proaktiv mit diesem Vorwurf umzugehen!«

Das Kalkül wird weiter ausgeführt: »Je mehr Menschen sich selbst anzeigen, desto schwieriger ist es für die Staatsanwaltschaft, tatsächlich zu ermitteln und desto mehr wirken wir in der Öffentlichkeit dem Bild entgegen, wir seien die Kriminellen!«

Schon am Tag, an dem die Razzia bekannt wurde, hatten einige Mitglieder öffentlich die Sicherheitsbehörden aufgefordert, auch gegen sie vorzugehen. Gestern gaben drei Mitglieder und Unterstützer bekannt, sich selbst angezeigt zu haben. Darunter ist auch der Anwalt Mathis Bönte, der auch schon Angehörige der »Letzten Generation« vertreten hat.

Er hat sein Schreiben an die Staatsanwaltschaft und damit sein Kalkül öffentlich gemacht – Ziel ist offensichtlich eine Diskussion über die Forderungen der Gruppe.

Unter anderem argumentiert Bönte, die Rechtsprechung gehe zwar davon aus, dass auch ein Zusammenschluss, der kein schweres Unrecht begeht, eine kriminelle Vereinigung sein könne – aber nur, wenn er die öffentliche Sicherheit in erheblichem Ausmaß gefährde.

Er bitte, »möglichst zeitnah Anklage zu erheben, um die Bedeutung der Klimakrise für die Frage, ob die ›Letzte Generation‹ eine kriminelle Vereinigung ist, gerichtlich klären zu lassen«.

jos

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