Debatte im Bundestag Merkel feiert, Steinbrück rechnet ab
Berlin - Angela Merkel sprach 35 Minuten, und am Ende ihrer Rede im Bundestag erhielt sie natürlich Riesenbeifall aus den Reihen ihrer Koalition. Die Kanzlerin hatte die letzte Debatte vor der Abstimmung am 22. September (Lesen Sie hier das Minutenprotokoll der Debattte) als Wahlkampfauftritt genutzt. "Es waren vier gute Jahre", stellte Merkel ihrer schwarz-gelben Regierung dementsprechend ein tolles Zeugnis aus.
Merkel sah "herausragende wirtschaftliche Ergebnisse" in Deutschland während dieser Legislaturperiode. Es gebe mit rund drei Millionen zwar immer noch zu viele Arbeitslose, aber auch die höchste Zahl der Beschäftigten. "Das ist das Werk kluger Politik", lobte sie die Arbeit der Regierung aus Union und FDP.
Merkel lobte aber auch den Ausbau der Kinderbetreuung und die Einführung des Betreuungsgeldes. Die Kanzlerin kündigte zwar Verbesserungen bei der Pflege an. Sie wies aber auch darauf hin, dass die Beiträge in der Pflegeversicherung womöglich nicht konstant bleiben würden.
Die Kanzlerin will bei einem Wahlsieg als eine der ersten Maßnahmen eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) angehen. Die Dynamik der Kostenentwicklung müsse gestoppt werden. Bei einem Ökostromanteil von 25 Prozent gebe es heute ganz neue Herausforderungen. Mittlerweile machen die auf die Strompreise abgewälzten Vergütungskosten für Windräder, Solarparks, Biogasanlagen und Wasserkraftwerke über 20 Milliarden Euro pro Jahr aus. Ein Durchschnittshaushalt muss 2014 voraussichtlich rund 225 Euro nur für die Ökostromförderung zahlen, statt bisher 185 Euro. Daher sollen der Ausbau gedrosselt und Vergütungen gesenkt werden.
Kritik an Haltung von Russland und China im Syrien-Krieg
Vorher ging es in Merkels Ansprache um den Syrien-Krieg. Sie halte eine einheitliche internationale Reaktion auf den mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz kaum noch für möglich. Zwar werde man alles unternehmen, um eine gemeinsame Antwort zu finden, sagte die Kanzlerin. Aber: "Das ist nicht sehr wahrscheinlich, aber auch die kleinste Chance muss genutzt werden." Der Weltsicherheitsrat werde durch die Haltung Russlands und Chinas immer wieder blockiert.
Die CDU-Chefin verurteilte ausländerfeindliche Aktionen gegen Flüchtlinge. "Es ist beschämend, dass Menschen, die sich traumatisiert von Bürgerkriegen oder wegen politischer Verfolgung hilfesuchend an Deutschland wenden, dann in unserem Land Anfeindungen ausgesetzt sind von Unbelehrbaren", sagte sie mit Blick auf ausländerfeindliche Proteste gegen ein Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf.
Steinbrück ruft zum Neustart nach der Wahl auf
Merkels Herausforderer Peer Steinbrück nutzte seinen Auftritt natürlich auch für Attacken gegen die Kanzlerin. "Frau Merkel, die wichtigsten beiden Begriffe und Worte, die Sie in Ihrer Rede benutzt haben, waren: "Wir werden, wir werden, wir werden." Und man fragt sich, wer hat eigentlich in den letzten vier Jahren regiert in dieser Bundesrepublik Deutschland. Alles, was zu tun ist, (...) was wichtig ist, was diesem Land Richtung geben könnte, haben Sie in die Zukunft projiziert."
Steinbrück warf der Kanzlerin Tatenlosigkeit vor. "Deutschland ist in den letzten vier Jahren unter Wert regiert worden", sagte er.
Der SPD-Kanzlerkandidat kritisierte unter anderem die Politik der Koalition in der Euro-Krise. Das Spardiktat gegen Griechenland würge in dem Krisenland jegliches Wachstum ab. Ein drittes Hilfspaket sei so unumgänglich.
Unter Schwarz-Gelb sei die Spaltung des Arbeitsmarkts verschärft worden, und die Einkommensentwicklung sei auseinandergedriftet. Viele Steuerzahler fühlten sich zudem als die Dummen "angesichts eines skandalösen Steuerbetrugs". Zudem müssten sie für die Zockereien von Bankern geradestehen. "In Deutschland ist etwas aus dem Lot geraten."
Die Pläne von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer für eine Pkw-Maut bezeichnete Steinbrück als "populistischen Klamauk". Er forderte Merkel auf, den CSU-Chef zu stoppen.
Steinbrück forderte deshalb zum Ende seiner 25-minütigen Rede einen Neustart. "Unser Land braucht eine Regierung, die nicht nur aussitzt."
Brüderle giftet gegen Steinbrück
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hielt Steinbrück einen Wahlkampf unterhalb der Gürtellinie vor. Der Vorwurf an die Kanzlerin, sie habe in der Spähaffäre ihren Amtseid verletzt und Deutschland nicht geschützt, sei völlig daneben gewesen: "So etwas tut man nicht", sagte Brüderle, der Spitzenkandidat der Liberalen ist. Steinbrück sei ein Besserwisser, der eigene Fehler ausblende: "Sie haben eine Pannenstatistik wie ein Fiat Punto und führen sich auf, als ob Sie ein Spitzen-BMW wären."
Gregor Gysi von den Linken kritisierte wie Steinbrück das Euro-Krisenmanagement der Bundesregierung, aber auch die Zustimmung von SPD und Grünen zu entsprechenden Beschlüssen. Zuvor hatte er vehement einen Militäreinsatz gegen das Assad-Regime abgelehnt und vor einem "Flächenbrand" in Syrien gewarnt.
Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt warf Merkel vor, soziale Probleme zu ignorieren. "Sie sind dabei, das Land müde zu lächeln, das dringend Aufbruch braucht", sagte Göring-Eckardt. Millionen Menschen hätten nichts vom Reichtum des Landes, da Bildungs- und Aufstiegschancen ungleich verteilt seien. "Deutschland geht es nicht gut, in Deutschland geht es einigen gut." Die Grünen-Politikerin warf der schwarz-gelben Regierung eine "Konterrevolution" in der Energiepolitik vor.