Liberaler Flügelkampf FDP-Rebellen nerven Westerwelle

Außenminister Guido Westerwelle: Aufstand der Frustrierten
Foto: dapdBerlin - Wenn es um den schwarz-gelben Kompromiss zu den Atomlaufzeiten geht, überschlagen sich und Christian Lindner derzeit vor Selbstlob. Dann spricht der FDP-Parteichef von einer Entscheidung zum Klimaschutz "von geradezu epochaler Bedeutung", sein Generalsekretär von einer Lösung, mit der "die Energieversorgung Deutschlands sicher, wirtschaftlich und verlässlich wird."
Bei einem anderen Thema wird die engere Parteiführung dagegen sehr schmallippig: Kommt die Sprache auf die neue Gruppe von Parteirebellen um den -Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler, verstummen die liberalen Lautsprecher fast. Schäffler hat zusammen mit 13 Mitgliedern den "Liberalen Aufbruch" gebildet. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da Westerwelle und Lindner mit Regionalkonferenzen den Kontakt zur Basis suchen. Der Parteirebell kommt mit seiner Aktion höchst ungelegen.
Das Motto der Parteiführung: abtropfen lassen, kleinreden.
Schäfflers Aktion löst dennoch in Partei- und Bundestagsfraktion Unruhe aus. Am Montagabend kam es auf der Sitzung der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, dessen Mitglied Schäffler ist, zu einer erregten Aussprache. "Es ging hoch her", so ein FDP-Vertreter. Vergangene Woche war der Liberale auf der Klausur der Bundestagsfraktion auf seine Aktion von FDP-Kollegen angesprochen worden - er habe nicht dementiert, hieß es. Schäffler, der im Landesvorstand der NRW-FDP sitzt, hatte bereits im Frühjahr im Zusammenhang mit der Griechenland-Krise für Aufregung gesorgt - da schlug er vor, der EU-Partner solle zur Schuldentilgung auch Inseln verkaufen. Mitte Mai zog er sich als Obmann der FDP aus dem Finanzausschuss des Bundestags zurück.
Zu den Unterzeichnern des Aufrufs zählen neben Schäffler drei weitere Bundestagsabgeordnete sowie Schäffler-Freunde aus den Ländern. Ihr Positionspapier atmet die Ideenwelt Friedrich August von Hayeks, der einer der großeren Vertreter des Ultra-Liberalismus war. Staatliche Eingriffe lehnte der spätere Nobelpreisträger ab, sah in ihnen gar einen Weg zur Diktatur. Im Duktus Hayeks liest sich der Aufruf der Schäffler-Gruppe: "Der Staat darf keine Glücks- und Wohlfahrtsvorstellungen per Gesetz - und das heißt per Zwang - durchsetzen oder fördern", heißt es da. Und, auf die FDP gemünzt: "Wir machen hingegen seit den siebziger Jahren enorme Zugeständnisse an den Kollektivismus und das materielle Gleichheitsdenken."
Es sind Sätze, die sich vor allem als Anti-Thesen zum neuen Kurs des Generalsekretärs Lindner lesen, der gerne über den "mitfühlenden Liberalismus" spricht und ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten lässt. Anfang Oktober gibt es einen Kongress in Berlin - Auftakt einer Serie von FDP-Veranstaltungen, die bis 2012 zu einem neuen Parteiprogramm führen sollen.
Empörung im Bundesvorstand
Schäfflers Aufruf bringt manche Liberale auf die Palme. "Das ist bislang der größte Beitrag zur Schwächung des Liberalismus in Deutschland", empört sich ein Mitglied des Bundesvorstands. Was Schäffler und seine Getreuen wollten, sei ein "Radikalliberalismus", der einfach keine Mehrheit in der Partei habe. "Er will es aber einfach nicht einsehen", so der Vorständler. Mit seinem Papier bediene er alle Vorurteile der Opposition über die FDP. "Ich frage mich, wo er eigentlich steht."
Andere in der Bundestagsfraktion sprechen vom "Kollektiv der Frustrierten", das sich da zusammengefunden habe. Zu den Unterzeichnern zählt auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion und frühere NRW-FDP-Schatzmeister, Paul Friedhoff. Der sorgt seit längerem für Kopfschütteln bei den Liberalen, weil er hartnäckig der Ansicht ist, dass die Menschen für den Klimawandel nicht wirklich verantwortlich sind. "Das ist ein Zusammenschluss von Euroskeptikern und Klimawandel-Leugnern. Ob das die Triebfeder für Liberale ist, wage ich zu bezweifeln", lästert denn auch ein weiteres Bundesvorstandsmitglied.
Die engere Parteiführung will Schäfflers Gruppe durch öffentliche Bemerkungen keine zusätzliche Aufmerksamkeit verschaffen. Generalsekretär Lindner erklärte Anfang der Woche, der FDP-Abgeordnete sei mit seinen Thesen eine "intellektuelle Bereicherung". In deutlich süffisanter Tonlage kritisierte er aber den Umstand, dass Schäffler weder in der Klausur der Bundestagsfraktion noch am Sonntag auf der ersten Regionalkonferenz in Siegburg den Diskurs gesucht habe. "Wer Mut zur Freiheit fordert, müsste auch Mut zur Debatte haben", so der FDP-General.
Schäffler selbst versuchte am Dienstag, keine weiteren Funken zu schlagen. Im Interview mit dem Deutschlandfunk wurde er gleich mehrmals danach gefragt, ob er mit seinem Papier auch Guido Westerwelle gemeint habe. Er wich aus. "Ich möchte jetzt nicht", so der Liberale, "über Personen sprechen."