"Libyen, Kuba, Deutschland" Rumsfeld legt neue Humor-Beweise vor
Berlin - Der deutsche Außenminister ist für vieles berühmt, aber nicht für seinen Humor. Er sei müde, ließ Joschka Fischer nach dem Rückflug von der Uno aus New York am Donnerstag vorsichtshalber über seinen Sprecher ausrichten. Da beißt einer die Lippen zusammen. Öffentlich nicht weiter kommentieren mochte er weder den Irak-Bericht von US-Außenminister Colin Powell im Uno-Sicherheitsrat noch die jüngsten Verbalinjurien von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der Deutschland nun auf einem politischen Treppchen sieht mit Kuba und Libyen.
Auch der Kanzler schwieg - er hat zurzeit ohnehin wenig zu lachen. Am deutschen Nein zum Irak-Krieg werde sich nichts ändern, egal was Powell zu sagen habe, hatte Gerhard Schröder schon vor dem Auftritt im Uno-Hauptquartier wissen lassen. Am Donnerstag meldete sich lediglich sein Sprecher Bela Anda mit einer kurzen schriftlichen Erklärung zu Wort. Mit vielen diplomatischen Wendungen wurde darin eine klare Aussage vermieden, ob Powells vorgelegte Faktensammlung aus Berliner Sicht nun neue Erkenntnisse enthalte oder nicht.
Aus dem Regierungslager sickerte jedoch durch, Powells Rede habe "kaum Neues" geboten. In seiner Rede habe Powell auch einige Informationen präsentiert, die der Bundesnachrichtendienst (BND) den Amerikanern geliefert habe.
Mit öffentlichen Bewertungen hielt man sich jedoch zurück: Kanzler und Vize-Kanzler sind spürbar bemüht, kein neue Aufregung in die schwierigen Beziehungen mit Washington zu bringen. Selbst wenn sie Rumsfeld mit Humor nähmen, gingen sie zum Lachen lieber in den Keller. Honoriert wird das von der Supermacht nicht. Im Gegenteil: Von jenseits des Atlantiks erreichen das Kanzleramt fast täglich neue Demütigungen wegen des deutschen "Nein" im Irak-Konflikt.
Mit geballter Faust nahm man am Donnerstag den jüngsten Beweis von Rumsfelds eigenwilligem Humor und Politikverständnis zur Kenntnis. Andere US-Offizielle legten nach. Der einflussreiche Pentagon-Berater Richard Perle freute sich nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen laut über den völlig "diskreditierten" Kanzler, der nun ziemlich ausweglos in der Klemme sitze.
Auch in der Koalition wächst deshalb die Sorge, dass die US-Administration an dem einstigen Muster-Verbündeten nun unbedingt ein Exempel statuieren will. Hinweise dafür gibt es genügend: Der Solidaritätserklärung von acht europäischen Staats- und Regierungschefs mit den USA folgte nun eine ähnliche Deklaration von weiteren Staaten aus Ost- und Südosteuropa. Hinter den Kulissen, so ist man in Berlin zunehmend überzeugt, wird bereits von US-Strategen die Aufteilung des Irak einschließlich der Ölquellen vorbereitet. Davon sollen dann auch die treuen Verbündeten profitieren, die sich politisch nicht quer gestellt haben. Und ganz sicher kann Schröder nicht sein, ob Frankreich mit diesem Lockmittel in letzter Minute nicht ebenfalls noch in das Kriegslager wechselt. Die französischen Sozialisten sehen ihre Regierung insgeheim bereits auf den Kriegskurs der Amerikaner einschwenken.
Darüber lacht die Welt
So reichten die Reaktionen auf Rumsfelds jüngste Einordnung Deutschlands auf der politischen Weltkarte von Empörung über Staunen bis zum amüsierten Achselzucken. Manche, wie der Unionspolitiker Wolfgang Schäuble, nahmen die Vorlage gerne auf für innenpolitischen Druck. Er nannte es verständlich, dass der US-Verteidigungsminister die Bundesrepublik im Irak-Konflikt in einem Atemzug mit Libyen und Kuba nannte. Aber die Union tut sich einmal mehr schwer, dabei eine einheitliche Linie zu finden. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber sagte, das sei keine akzeptable Klassifikation Deutschlands. Der CSU-Politiker Peter Gauweiler machte sich an diesem Donnerstag gar ernsthaft Sorgen um den Geisteszustand Rumsfelds. Gauweiler forderte Stoiber und CDU-Chefin Angela Merkel dringend auf, den Gast der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende zur Rede zu stellen "und sich seinen Ton in aller Form zu verbitten".
Nach Einschätzung seiner Wegbegleiter bedient sich Rumsfeld mit seinen rhetorischen Ausflügen der schon seit Jahrtausenden erfolgreichen Strategie "Teile und Herrsche", die im Kräftespiel von Staaten ebenso wie in Unternehmen immer denjenigen stärkt, der es versteht, seine Mitspieler auseinander zu dividieren und damit zu schwächen. "Die wiederholten Verbalattacken des amerikanischen Verteidigungsministers haben offenbar Methode und sollen uns weich klopfen", heißt es in der SPD-Bundestagsfraktion.
Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Winfried Nachtwei, bezeichnete die Rumsfeld-Äußerungen als ungehörig. Er forderte den US-Verteidigungsminister auf, sich im Ton zu mäßigen. Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke zeigte sich ebenfalls "not amused": Rumsfelds Äußerung sei absolut unverständlich. Sie frage sich, ob er die deutsche Außenpolitik mit der von Kuba und Libyen vergleichen wolle. Fortsetzung folgt: Am Wochenende besucht der Humor-Spezialist die bitterernste Sicherheitskonferenz in München.
Und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) versteht keinen Spaß, wenn man an seinen Fähigkeiten zweifelt. Er hat die Warnungen des US-Außenministeriums vor einem München-Besuch wegen der Sicherheitslage während der Konferenz scharf kritisiert: "Das ist völlig unangebracht."
Viele Demonstranten hatten angekündigt, Rumsfeld einen lustigen Empfang zu bereiten. Nach Angaben von Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) sind im Umfeld der Konferenz am Samstag und Sonntag in München 23 Veranstaltungen angemeldet. Die Polizei erwarte dabei auch bis zu 1500 gewaltbereite Demonstranten. Es werde daher schon im Vorfeld strenge Personenkontrollen geben. "Ich hoffe, dass Sie mich am Montag genauso fröhlich sehen wie heute" sagte Beckstein. Mit ernster Miene.